Bleiben, um zu blühen

Sonntag, den 12.05.2024
-Br. Markus-

Joh. 15, 5-15

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich auch euch. Bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich meines Vaters Gebote gehalten habe und bleibe in seiner Liebe.

Das habe ich euch gesagt, auf daß meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde.

Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebt wie ich euch liebe.

Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde.

Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.

Ich nenne euch hinfort nicht Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich Freunde genannt, denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.

Bleiben, um zu blühen

Eigentlich weiß es jeder Gärtner: Eine Tomate in der Antarktis wird nie so richtig gedeihen. Die schmeckt dann immer ein bißchen nach Banane, wenn sie nachts zu kalt hat.

Selbst die schönste Geranie wird nie so richtig blühen, wenn sie im Schatten steht, am falschen Standort.

Darauf kommt es an: daß wir am richtigen Standort stehen, soll unser Leben Frucht bringen.

1.Bleiben, um zu sein

2.Bleiben, um zu reifen

3.Frucht sein

1.  Bleiben, um zu sein

Christliche Existenz gründet sich auf unsere Ansprechbarkeit für Gott.

Anders ausgedrückt, könnte man sagen: Manche merken`s nie. Ist auch schwierig. Ein unsichtbarer Liebhaber ist schwer zu entdecken, zumal er keine Rosen schickt. Manche merken`s nicht, daß Gott sie liebt – ein Leben lang.

Gott liebt mich – Kecharismai – ich bin von Gott geliebt.

Es geht um eine Liebe ohne Bedingungen.

Es geht um eine Liebe ohne Erwartungen.

Es geht um eine Liebe ohne Grenzen.

Es geht um die Liebe Gottes, die ist, bevor ich die Erde betrete und nachdem ich sie verlassen habe.

Wenn ich diese Liebe nicht wirklich bemerke, lebe ich lebenslänglich an mir selbst vorbei – selbst, wenn ich lauter nette Geschenke an andere verteile und mich burnoute dabei, die Welt zu lieben.

Ich bin die Rebe, Gott ist der Weinstock.

Ich wachse am alten Holz. Ich kann gar nicht ohne das alte Holz.

Ich bin keine seltene Orchidee, die mit den Wurzeln in der Luft an irgendwelchen Telegrafendrahten hängt.

Ich bin verwurzelt in Gott – in einem total old-school-mäßigen Weinstock, einer uralten Sorte, die Jahrtausende überlebt hat und sogar so resistent gegen Rebläuse ist, daß sie mich erträgt – mich, den kleinen, kalten Menschen, der nicht wahrhaft lieben kann, auch wenn er vorgibt, es zu tun.

Ich bin nicht allein. Ich kann nicht ohne den Weinstock sein. Ich kann nicht blühen oder reifen oder etwas hervorbringen ohne ihn.

Wir müssen es begreifen lernen, daß wir uns brauchen, daß wir voneinander abhängen und süchtig danach sind.

Ich kann nicht ohne den Weinstock sein. Der Weinstock bringt ohne mich aber auch  eher weniger  Trauben.

Mein wahres Selbst finde ich in der Gewißheit, daß Gott mein Partner ist, der alte, knorrige Weinstock, der nicht kaputtzukriegen ist.

Es ist Saft und Kraft dieser uralten Wurzel, die mich bewegt und befähigt, zu wachsen, zu blühen und Frucht zu sein.

Wir sind ein Team – er und ich – das Team „Chardonnay“ – Gott und ich.

Wer in mir bleibt und ich in ihm…“

2.  Bleiben, um zu reifen

Es geht nicht um die Hundekette, an der wir leben sollen, sondern um eine freiwillige Beständigkeit in unserer Liebesverantwortung.

Nicht ich habe Gott erwählt, Gott erwählt uns. Das heißt: Es ist gar nicht meine, sondern die Idee Gottes.

Nicht ich hole Gott in mein Team, sondern Gott holt mich in sein Team. Er tut den ersten Schritt, er hat mehr Mut, er hat mehr Kraft.

Mein Part besteht aus Wollen und Bleiben.

Will ich ja sagen zu ihm oder eher Jein?

Will ich, gerade wenn die Stelle mit den schlechten Tagen kommt?

Will ich mich lieben lassen von so einem steinalten Typ, der, wer weiß, ewig jung geblieben ist? Das ist die Gretchenfrage.

Der Theologe Voigt sagt: „Gott hat es auf Leute abgesehen, die wie wir sind: Abgewandt, für Gott nicht zu gebrauchen, unerschüttert, selbstherrlich, verkehrt, undankbar, stolz. Die uns widerfahrende, wählende Liebe geht nicht von unserer Würdigkeit oder Brauchbarkeit aus. Sie ist also auch keine verdiente, von uns gesuchte, an unserer Liebeswürdigkeit sich entzündende Liebe die liebt, wo es eigentlich nichts zu lieben gibt.“

Die Frage, ob ich diese Liebe will und in ihr bleiben kann, ist also schlicht die Frage: Lasse ich mich lieben, wo es nichts zu lieben gibt?

Der Kampf um mein Recht, um meine Anerkennung und um meine Person bekommt dann einen ganz anderen Stellenwert.

In der Liebe Gottes entsteht eine neue Hauptsache: Hauptsache geliebt.

Nicht: Hauptsache glücklich

Nicht: Hauptsache gesund

Nicht: Hauptsache reich.

Hauptsache geliebt!

Niemand hat größere Liebe, als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde.

Es ist das Golgathageschehen, das unser Leben reifen läßt, reifen zu einer Antwort, die immer schwerfallen muß, wenn man sie ernst nimmt.

Golgatha hilft uns, das Jawort zu sprechen, das lange reifen muß in uns, um wirklich zu bestehen.

Bleiben kann nur, wer sich lieben läßt. Nur so gelingt es

3. Frucht zu werden

„Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“

Wir sind die Reben. Die große Emotion eines unsichtbaren Gottes soll nicht nur, sie muß sichtbare Wirklichkeit werden, Frucht.

Keiner hat Spaß an einer digitalen Erdbeere.

Einen virtuellen Pfirsich kann man nicht naschen.

Ein Wein, den man nicht trinken kann, ist bestenfalls für kranke Sammler.

Die Liebe Gottes will raus aus dem Haus durch uns, jetzt hier, weg von mir hin zu dir.

Wir sind die Rebe. Es ist ganz einfach nur unser Job, Früchte zu tragen, fruchtbar zu sein.

Es geht nicht um die Theorie vom guten Wein, sondern um wirklich trinkbares, faßbares, genießbares, vitaminreiches Leben und Sein.

Liebe will fruchtbar sein. Wie wir leben, wie wir arbeiten, wie wir feiern, wie wir genießen, wie wir streiten – alles will in dieser Liebe zuhause sein.

Es geht nicht um`s Verjubeln, aber schon ums Froh- sein aus und in dieser Kraft, die das Markenzeichen des Christentums ist.

Es geht nicht um verbissenen Altruismus, sondern um fröhliche Teilnahme an einer Welt verändernden Kraft, auch dort, wo es für mich persönlich Nachteile hat.

Es steht nirgends geschrieben, daß man`s einfach hat.

Noch einmal der Theologe Voigt: „Es gehört mit zum Wesen der Liebe, daß sie es schwer hat und doch nicht aufgibt.“

Nicht aufgibt – buchstabiert wie: bleibt.

„Wer in mir bleibt und ich in ihm.“ Ich muß nicht selber Weinstock sein. Ich kann und darf die Rebe bleiben. Das hat doch was!

Bleiben wir an einem uralten Weinstock, der so manchen schweren Hagel überstanden hat und an dem sich schon die Oma der Reblaus die Zähne ausgebissen hat.

Die Botschaft des Neuen Testaments sagt uns das mit ungebremster Kraft: Es lohnt sich, zu bleiben, nicht nur, um zu blühen, sondern darüber hinaus Frucht zu werden und zu sein. Reiche Frucht! Amen.

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