In einem anderen Licht

Beerdigung von Prior W. F. Rudolpham 08.06.2023 um 15 hBr. Markus

Römer 8, 28

Das eine aber wissen wir: Wer Gott liebt, dem dient alles, was geschieht, zum Guten.

 

Im Dunkeln sieht man es nicht, das, was vor Augen ist, jeder sehen kann –  dann, wenn die Sonne aufgeht und genügend Licht zur Verfügung steht. Die bedrohliche Gestalt links hinter der Straßenlaterne entpuppt sich dann, drei Stunden später, als formgeschnittener Buchs, der nur in der Dunkelheit ein wenig bedrohlich aussieht. Im richtigen Licht gewinnen wir Klarheit, wie es wirklich aussieht in uns und um uns herum. Ja, es gibt ihn, den kleinen Unterschied zwischen Kerzenschein und Neonlicht.

Es geht im Römerbrief um unser Leben, das viel mehr als nur eine Beleuchtungsfrage ist, schon aber auch.

„Wir stehen in einem anderen Licht“ sagt Paulus. Wir sind

1.          Erfaßt

„Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen“ übersetzt Luther

Wer Gott liebt – sind wir das? „Natürlich“ werden Sie sagen, oder „auf gar keinen Fall“. Vielleicht auch „na ja“. Man kann ja auch „weiß nicht so genau“ ankreuzen – ganz nach persönlicher Meinung.

Unglücklicherweise entsteht der Eindruck, daß es zwei Gruppen von Menschen gibt:  Die, die Gott lieben, und die, die ihn nicht so toll finden. Das ist ein falscher Eindruck.

Der Mensch kann Gott gar nicht lieben. Er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wäre unsere Fähigkeit, Gott zu lieben, eine Bedingung für Glaube, würden wir scheitern. Wir würden uns den Kopf anschlagen – wie in einer Garage ohne Licht. Wir tun uns schwer damit, Gott zu lieben – schon allein deshalb, weil man ihn nicht sieht, zu vieles von ihm unsichtbar ist, abwesend scheint, rätselhaft, dunkel und unbequem.

Wir können nicht sehen und verstehen, warum Kriege gekriegt, Krankheiten gelitten und gestorben werden muß. Es scheint im Dunkel zu geschehen – all das, was keiner sich erklären kann. Wir wissen nicht, was morgen geschieht. Deshalb können wir Gott oft nicht lieben, weil zu viel geschieht, was er zuläßt, von dem, was nicht so gut zu sein scheint.

Wir alle sind Menschen, die Gott nicht lieben können.

Wir alle sind  von Gott geliebt.

Nicht wir, nicht Sie, nicht Du oder ich – alle sind von Gott geliebt. Die Richtung, aus der die Liebe kommt, macht einen gewaltigen Unterschied. Nordwind bringt selten warme Luft. Wir sind von Gott geliebt – selbst dann, wenn sich das ganz anders anfühlt, wie in einer Garage ohne Licht. Alle sind geliebt: Ukrainer und Russen, Schwaben und Hessen, Männer und Frauen.

Es gibt nur einen einzigen Unterschied, und zwar den,  ob ich mich lieben lasse. Lasse ich mich erfassen von dieser Liebe oder nicht? Laß ich mich zum Glühen bringen oder eben nicht?

Dort wo ich mich lieben lasse, bin ich nicht nur erfaßt, sondern

2.          Erleuchtet

Wer sich lieben läßt, dem dient alles, aber auch wirklich alles.

Das ist die unverschämteste Stelle im Römerbrief.

Alles – das Wort alles steht im Deutschen für „ausnahmslos“, fast schon so platt, wie „alles wird gut“. Es klingt so, als ob Gott auch einer wäre, der mit seinem positiven Gelaber dem krebskranken Patienten den letzten Nerv raubt.

Es wird eben nicht alles gut. Es gibt Krankheiten, die bleiben unheilbar, es gibt Fälle, die sind austherapiert, es gibt Konflikte, die sind irreparabel.

Gott spielt nicht mit Psychotricks. Glaube ist mehr. Hoffnung ist mehr. Trost ist mehr.

Es geht in der Bibel nirgends um billigen Optimismus. Auch das ist Teil unserer Erleuchtung, daß wir verstehen lernen müssen, daß nicht alles gut wird. Christlicher Glaube unterscheidet sich dort vom Opium für`s Volk. Christus verspricht nirgends eine Wellnesswelt. Ganz im Gegenteil.

Gerade daß wir aufhören können mit dem optimistischen Selbstbetrug hilft dann zu wirklichem, zu tiefem Trost – in allem, was danebengeht oder daneben zu gehen scheint, was dunkel ist. Nicht alles wird gut, aber alles dient zu meinem Besten oder wirkt zum Guten mit.

Gottes Qualitätsversprechen hat Fundament. Es ist kein Werbeversprechen, sondern eine göttliche Unverschämtheit, die nur er sich leisten kann.

Alles dient mir – das heißt: Auch wenn mein Haus abbrennt, mein Sohn mit dem geburtstagsgeschenkten Porsche durch die Leitplanke bricht oder mein Freund sich mit dem großkalibrigen Jagdgewehr in den Kopf schießt.

Spätestens dann würde er von selbst zerbrechen, der schöne Traum vom „lieben Gott“. Es ist auch nicht damit getan, alles was danebengeht, dem nebulösen Bösen anzudichten. Glauben wir Gott konkret, müssen wir verstehen lernen, daß tatsächlich alles in seiner Hand steht, und das fordert von uns ein wesentlich tieferes Nachdenken darüber, warum er geschehen läßt, was er unterbinden könnte.

Es hilft auch nicht, eine Art religiösen Masochismus zu generieren nach dem Motto „Je weher es tut, umso besser für mich.“ Die Erleuchtung, die mir geschieht, fördert meine ganz persönliche Bescheidenheit. Wenn ich verstehen kann, daß ich nicht alles verstehen werde, muß ich bereit werden, zu warten.

Gott muß sich nicht vor mir rechtfertigen. Das ist der Unterschied zwischen ihm und mir. Wenn er sich erklärt oder mich begreifen oder ahnen läßt, ist es sein Geschenk an mich: Erleuchtung. Im richtigen Licht muß ich erkennen lernen, daß es Fragen gibt, die ich besser nie gestellt hätte und Antworten, die ich gar nicht hören will.

Die Erleuchtung, die mir geschieht, macht mich weder zum Genießer von Problemen noch zu deren Verdränger.

3.          Sie bewegt mich

zum Heil, zum Guten

Für uns das Schlanke, Ranke, Elegante was Spaß macht, sich toll anfühlt.

Heil im Sinne von unverletzt kann die Welt nur werden, wo wir uns bewegen lassen, weg von unserem berechtigten Überlebenstrieb, weg von unserer Sehnsucht, weg von meinem Anspruch, hin zu einer viel weiteren, größeren Welt.

Erleuchtung in Christus ist eine Erleuchtung weg von mir hin zu allem, was mich umgibt. Christus bewegt uns ins Urvertrauen auf Gott – zurück. Die Angst, zu kurz zu kommen, findet in ihm zur Ruhe. Die Angst, vergessen oder benachteiligt zu werden, auch. Die Angst, am Ende der oder die Dumme zu sein, ist besiegt.

Wir werden fähig, unsere Berufung zu sehen und wahrzunehmen. Wir sind zum Besten berufen – billiger machen wir es nicht. Das Beste kann nur Leben sein, Leben, das über den Tod triumphiert. Es ist nicht nur unsere Berufung, lebendig zu sein, sondern zu bleiben und Leben zu schaffen. Diese Berufung geschieht in der lebendigen Auseinandersetzung, was dem Leben schadet und entgegensteht.

Das kann nur gelingen, wo wir uns bewegen lassen.

Nietzsche sagt: „Wer um ein Warum weiß, erträgt fast jedes Wie.“

Gottes „Warum“ wird nie einer verstehen. Es geht ganz einfach darum, Vertrauen zu wagen.

Die Antwort, mein Freund, verweht im Wind“ singt Bob Dylan.

Ich glaube, daß die Antwort nicht verweht. Sie steht in einem anderen Licht, in dem Licht, das am Ende jedes gelebten Lebens steht, das Licht, das wie die Sonne durch die Fenster scheint und bunte Farben auf die Wände malt, da, wo sonst nichts ist.

Im Licht der Liebe erklärt Gott sich.

Es ist nur ganz normal, daß wir lebenslänglich damit beschäftigt sind, die Sprache dieser Sonnenstrahlen zu verstehen. Amen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert