Ein Gärtner und Prediger mit Verve

Prior Rudolph, hier in seiner Predigerkleidung, ist gestorben. Er war der Kopf und Gründer der über die Region hinaus bekannten Dettinger EBK-Blumenmönche. Bild Bruder Theophilos EBK

Südwestpresse | 2. Juni | ERMSTAL | von Christina Hölz

Dettingen
Er war Gründer der EBK-Blumenmönche und mehr als ein halbes Jahrhundert Taktgeber in der evangelischen Bruderschaft: Prior Rudolph ist tot. Er wurde 91 Jahre alt.

 

Wolfgang Friedrich Rudolph. Geboren im Erzgebirge, später über Jahrzehnte Gärtner, Pfarrer und Prediger in Dettingen. Ein Mann, der mit seinemLebenswerk zum Ort und zum ganzen Landkreis gehört wie die Obstwiesen und die Höhen der Alb. Doch unter seinem richtigen Namen ist Prior Rudolph, der oberste Ordensmann der evangelischen Bruderschaft Kecharismai (EBK), nicht einmal in seiner Wahlheimat, dem Ermstal, bekannt. Spricht man indes von den EBK-Blumenmönchen und dem ehemaligen Pflegeheim „Haus Geborgenheit“, wissen die meisten Dettinger, von wem die Rede ist. Hochbetagt ist der Gründer der Siedlungsgemeinde in der Buchhalde jetzt gestorben.

Besonders und anders ist vieles, was dieser Prior Rudolph in Dettingen aufgebaut hat. Da wäre zunächst sein Orden – inklusive der beeindruckenden 70er-Jahre Bauten hoch überdem Ort. „Ich kenne nur ein einziges evangelisches Kloster. Das steht in Dettingen und geht ohne Frage auf den Prior zurück“, schreibt uns Bürgermeister Michael Hillert zum Tod des 91-Jährigen. Dieser Satz sagt vieles. Auch über die Visionen, die Rudolph schon in jungen Jahren hatte – und für die „sein Herz immer geglüht hat“, sagt sein langjähriger Weggefährte Bruder Theophilos. Er ist vielen Dettingern als der Macher des EBK-Blumenladens in der Metzinger Straße bekannt.

Wer war dieser Mann, der seine beiden großen Leidenschaften zum Beruf machte: die Liebe zu Blumen und Pflanzen und das Predigen. 1932 wurde Prior Rudolph in Aue-Celle inder späteren DDR geboren. Mitten hinein in bescheidene Verhältnisse, kurz vor der„Machtergreifung“ der Nazi-Schergen. Der Vater war arbeitslos, kämpfte später an den Fronten der Diktatur, kam schwer verwundet aus dem Krieg. Ihm hatte der junge Wolfgang damals die Freude zur Natur zu verdanken, denn beide zog es hinaus in die Wälder des Erzgebirges. Vor allem in den Zeiten der Hungersnot nach dem Zweiten Weltkrieg. Weil viele Lehrer gefallen waren, bezeichnete der Prior seine Schulzeit als „bescheiden“. Der Junge trat in den Kirchenchor ein, lernte verschiedene Instrumente, interessierte sich für christliche Werte. Früh formen sich seine Berufswünsche, deshalb lässt sich Wolfgang Rudolph 1947 in seiner Heimat zum Gärtner ausbilden.


Bis 1956 arbeitet er in diesem Handwerk, dann zieht es ihn in den Verkündigungsdienst – und nach Baden-Württemberg. Bei der Banauer Bruderschaft in Unterweissach macht Rudolph eine seminaristisch-theologische Ausbildung. Kaum ahnend, dass er nicht mehr zu seinen Wurzeln im Erzgebirge zurückkehren sollte. Dieser Versuch des gläubigen Christen scheitert. Er wird aus der DDR ausgewiesen und kehrt in die Bundesrepublik zurück.


Über eine Station in Hanau am Main kommt er 1966 nach Dettingen. In der evangelischen Kirchengemeinde ist er vor allem in der Jugend- und Predigtarbeit tätig, fast zeitgleich treibt er den Aufbau der Siedlungsgemeinde in der Buchhalde voran. Aus seinem Engagement in den kirchlichen Jugendgruppen entsteht schließlich die evangelische Bruderschaft Kecharismai, aus dem damaligen Pfarrer Wolfgang Friedrich Rudolph wird Prior Rudolph.


Aus diesen Anfängen der EBK ist im Lauf der Jahrzehnte ein großes und vielfältiges Projekt gewachsen. Dazu gehören in der Buchhalde auch das Ordenshaus der Bruderschaft, das Sakralzentrum mit Kirche, Schauspielhaus mit Gästezimmern sowie das „Haus Geborgenheit“. Bis vor zwei Jahren diente es als Alten- und Pflegezentrum. Doch neue Gesetze forderten mehr Platz und bremsten die Brüder und Schwestern aus. Sie mussten ihr Heim schließen. Heute beherbergt das Haus Geborgenheit Flüchtlinge vorallem aus der Ukraine, die der Landkreis dort unterbringt.


Geschichte ist mittlerweile auch das Blumenhaus in der Metzinger Straße, das unter anderem der Pandemie zum Opfer gefallen ist. Ein Softwareentwickler hat das Gebäude gekauft und will dort Büroräume einrichten.


Aber zurück zu Gärtnerei. Die bleibt wichtigstes Standbein für die Bruderschaft. Dazugehört seit vielen Jahren auch ein Vermarktungszentrum in Reicheneck. Zudem sind die Mönche auf vielen Wochenmärkten in der Region präsent. Wer dort einkauft, kennt die Männer und Frauen in den grünen Kitteln bestens.


Bis ins hohe Alter füllte Prior Rudolph geistliche und organisatorische Aufgaben in der Gemeinschaft aus – „trotz habhafter gesundheitlicher Probleme“, erklärt Bruder Theophilos. Gefordert war der oberste Ordensmann vor allem, als im Jahr 2003 ein Großfeuer im Gebäudekomplex in der Buchhalde wütete. Ordenshaus und Kirche mussten danach fast vollständig neu aufgebaut werden.


Die Bruderschaft trauert nun um einen „Visionär und Kämpfer für die Sache, um einen scharf denkenden Theologen und Lehrer, schreibt die EBK in ihrem Nachruf. „Das Lebenswerk des Priors, das EBK-Zentrum und Altenzentrum zu erschaffen, brannte in ihm so stark, dass er selbst seine Familie hinten anstellte. Er konnte Menschen begeistern und gegen alle Widerstände für seine Ziele kämpfen“, heißt es weiter.

Nachfolge und Beisetzung
Für den verstorbenen Prior Rudolph gibt es noch keinen Nachfolger. Bis zur Neuwahl übernimmt der vierköpfige Bruderrat die Leitung der EBK. Der Prior wird am Donnerstag, 8. Juni, auf dem Friedhof beigesetzt, zuvor ist um 15 Uhr ein Gottesdienst in der Kirche der EBK. Die Beerdigung steht allen offen.

 

Mut-mach-Worte: Flieg Engel flieg

 

3 Responses

  1. Der EBK-Gemeinschaft gilt meine herzliche Verbundenheit auch im Gebet für den entschlafenen Prior Wolfgang Friedrich Rudolph und die Zukunft des ökumenischen Klosters. Der Herr lohne ihm all das Gute, das er für viele Menschen und nicht zuletzt zur größeren Ehre Gottes gewirkt hat!
    Aus der Geburtsstadt des hl. Wolfgang v. Pfullingen (924-994), Namensgeber unseres Verstorbenen, grüße ich dankbar und zuversichtlich!
    Dekan Hermann Friedl
    10. Juni 2023

    1. Lieber Dekan Friedl,

      Dankeschön für Ihre herzliche Verbundenheit. Danke für Ihre Zuversicht, die uns viel bedeutet.
      Ihnen ein segensreiches Wirken in Ihrem Dienst.

      Brüderliche Grüße Theophilos

  2. Ich habe vor vielen Jahren aus dem Berliner Johannesstift ein Büchlein von Herrn Prior Rudolph gekauft, das ich jetzt wiederum gelesen haben und dass mir viel Mut und Zuversicht gegeben hat.
    Ich versuche, weitere Bücher von Herrn Rudolph zu bekommen.

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