Viel hilft viel

-Br. Markus – 1.Mose  2, 4b-9,15

Gottes Idee für die Welt ist ganz klar: Aus der Fülle in die Fülle leben, geprägt von schöpferischem Reichtum. Dem entgegen steht das Glaubensbekenntnis unserer Politiker, das lautet: „Wir müssen den Gürtel enger schnallen.“ Es ist ja eine alte Erfahrung, daß nicht jeder, der als Asket geboren ist, seine Askese ausgerechnet bei der Sahnetorte praktizieren muß. So ist es ein Stück Lebenskunst, das richtige Maß zu finden. Es geht heute Morgen nicht nur um die richtige Dosis, sondern um Gottes Idee für die Welt, um uns, die wir in Gott und in dieser Welt zuhause sind.

1.          Ich bin Erde

Da nahm Gott Erde, formte daraus den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch lebendig.

Auch wenn es ein bißchen nach VHS-Töfperkurs klingt mit einem Schuß Harry Potter vielleicht, geht es dabei um wesentlich mehr. Der Mensch, aus Staub gemacht – Asche zu Asche, Staub zu Staub. Es geht nicht darum, sich als Dreckklumpen zu verstehen, sondern als geschaffenes Wesen im Bild von Ton in der Hand eines Töpfers. Ich bin nicht von einem blinden Zufall auf einen kalten Stern geworfen, um bis ans Ende meiner Tage zu rödeln wie ein Blöder. Ich bin von Gott gewollt. Ich bin Erde, aus Erde, Teil von ihr. Will heißen: Schöpfung aus einer schaffenden Hand, der Hand Gottes, die mich geschaffen hat. Ich bin nicht die zufällige Degeneration eines Affen in dritter Instanz, geformt von den planlosen Winden des Schicksals, sondern so, wie ich bin, richtig, wichtig, gewollt und gemacht. Ich bin Erde. Diese schlichte Erkenntnis würde so manchen Diktator vor seiner Selbstüberschätzung bewahren. Aber nicht nur das, sie bewahrt uns vor den steilen Abstürzen, wenn alles im Leben schief gelaufen zu sein scheint. Ich bin Erde in einer Hand, die mich formen kann, geformt hat und jeden Tag formen will. Ich bin Staub, beseelt mit Leben, aus Ton gemacht, aber nicht der letzte Dreck. In mir ist eine Seele wach, die groß genug ist, Spiegelbild zu sein von einem Macher, der größer ist als ich. Ich bin Erde, beschenkt mit Lebensatem Gottes, der mich den Wind auf der Haut spüren läßt, die Sonne sehen und die Blumen riechen, beschenkt mit Leben.

Wir sind

2.          In große Fülle gestellt

Dann legte Gott, der Herr, einen Garten im Osten an, in der Landschaft Eden, und brachte den Menschen, den er geformt hatte, dort hin.

Hier ist das Paradies. Auch wenn man den Bericht der Bibel kritisch sieht, muß man eine Tatsache zugeben: Jeder Mensch, der geboren wird, betritt eine bestehende Welt, einen Ort, der bereits da ist, der vor ihm war und auch nach ihm sein wird. Wir betreten die Erde, die ganz ohne unser Zutun da ist. Der große Baum hinterm Haus steht lange schon vor mir da. Ich hab zwar noch eine ganze Stange Bäume mit dazugepflanzt, aber klar ist, daß die Welt, in der ich lebe, nicht mein Verdienst ist, sondern eher Gabe und Aufgabe. Meine Welt, der Garten Eden, das Paradies, ist Gottes Geschenk an mich. Es ist vorhanden, es gibt genug für alle.

Gott ist nicht mit weniger zufrieden. Es muß ein Garten Eden sein, der Planet, den er geschaffen hat, ist von und in allem reich, reich an Farben, reich an Formen, reich an Reizen, die Mensch genießen kann. Gott ist keiner von denen, der wenig hat oder spart. Gott gibt – Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren  und zu allem Überfluß auch noch Stachelbeeren. Er läßt es nicht mit einer Sorte gut sein. Allein vom Eukalyptus sind 800 Arten bekannt. Da ist nicht mal ein anständiger Hauch von Sparsamkeit, sondern atemberaubende Vielfalt, unfaßbar viel Fülle. Wir erwachen auf einem Planet mit millionen- und milliardenfachem Artenreichtum.

Gott stellt uns nicht in einen Keller mit drei abgeschabten Fliesen an der Wand. Gott stellt uns auch nicht in den Garten, so nach dem Motto: „Sieh mal zu, wie du klar kommst.“ Früchte wachsen um uns herum – auch ohne unser Zutun. Wir sind umgeben von vielem, was Freude macht. Gott will, daß man was zu naschen hat, immer was Neueres, was Anderes, was Schöneres – nicht nur Kartoffelbrei für jeden Tag. Der Garten soll ein Eden sein, in dem man Auswahl hat, Melonen, Pfirsich oder Aprikosen.

Der Hunger in der Welt steht dabei nicht auf Gottes Plan. Er will, daß man Freude an der Auswahl hat über alles das, was man genießen kann. Es geht bei weitem nicht nur ums Essen. Aus der Fülle leben ist ein alles umfassender Lebensplan. Das Edenkonzept ist für alle gemacht, nicht nur für eine kleine Elite, die es sich leisten kann.

Es ist unser Lebensauftrag, diese Fülle zu genießen und durch unser Leben

3.          Mehr daraus zu machen

Gott, der Herr, setzte den Menschen in den Garten Eden. Er gab ihm den Auftrag, den Garten zu bearbeiten und zu schützen.

Die Erde ist als Paradies gemacht. Eden ist ein Programm für alle und jeden. Jeder an seinem Platz kann Paradiese erhalten oder zerstören. Es liegt in unserer Macht, Gärtner oder Zerstörer zu sein. Wir sollen mitgestalten. Gott will ihn nicht alleine machen, diesen viel zu großen Garten. Er will uns mit im Boot haben, mit all unseren Ideen, mit aller unsrer Kraft. Wir sollen diese Paradiesvögel sein, die den Garten schöner, bunter, praller machen. Jeder ist gefragt, auch alle, die die Gabe des Schwitzens gar nicht haben.

Der Theologe Voigt sagt: „Wir solle nicht faule Nutznießer der Gaben Gottes sein.“ Und er führt aus:  „Daß die Arbeit in der Bibel auf dem Gottesfluch über dem sündigen Menschen beruht, ist ein verbreiteter Irrtum. Verflucht wird dort nicht der Mensch, sondern der Acker. Des Fluches Wirkung ist nicht die Arbeit als solches, sondern die damit verbundene Mühsal und Vergeblichkeit. Die Arbeit gehört zum Menschsein.“

Es steht also bei Mose nicht, daß man dafür beten soll, daß andere die Arbeit tun, sondern daß die Arbeit unsere Lebensaufgabe ist, um mehr daraus zu machen, dem Paradies. Noch einmal Voigt: „Arbeit ist nichts anderes, als das Sich-Einschalten in das schöpferische Tun Gottes und das Aufnehmen dessen, was der Schöpfer gibt. Hat Gott kein Erz oder keine Kohle in den Berg gelegt, dann haut und bohrt der Begmann vergeblich.“

Christliches Dasein gehört zusammen. Es gibt keine Trennung von Gebet und Arbeit. Es gibt keinen Schöpfungsauftrag für Gebet allein. Es gibt keinen Schöpfungsauftrag für Arbeit allein. Es gibt keinen Schöpfungsauftrag für Genießen allein. Es gehört alles zusammen, Arbeit und Ertrag, Lust und Last. Im biblischen Verständnis ist alles miteinander verbunden.

Daraus entsteht die Frage, was für eine religiöse Praxis das ist, wenn sie diese Bezüge auseinanderreißt und aus Gottes Schöpfungsauftrag vorbeischrammt. Es ist unser Auftrag, Fülle zu leben, zu schaffen und zu machen. Um uns herum ist so viel Mangel, der das Paradies entstellt, Mangel, der entsteht, wenn die einen auf Kosten der anderen leben, Mangel, der nicht gottgewollt ist, Mangel, den es zu beseitigen gilt. Es ist an uns, unsere Hände mit dafür zu regen, daß das Paradies, in dem wir leben, den Namen dafür auch verdient. Nicht die großen Worte und die frommen Phrasen verändern die Welt, sondern die Arbeit in Gottes Weinberg.

Viel hilft viel – wir sind dazu beauftragt, mehr aus unserer Welt zu machen. Wir können das. Wir können mehr, als verbrannten Boden zu hinterlassen, leergepumpte Ölfelder oder kahlgeschlagenen Regenwald. Wir sind aus Erde gemacht. Wir schaden uns selbst, verlieren wir das aus den Augen. „Bauen und Pflanzen“ – so heißt das Garten-Eden-Prinzip. Das kann man auf die unterschiedlichste Art. Schablonenlösungen gibt es dafür nicht. Es ist nicht damit getan, den immer schnelleren Fortschritt zu verteufeln oder das, was längst Vergangenheit ist. Schöpferische Fülle ist angesagt, die Fülle an Möglichkeiten, nicht die Fülle an Verboten.

Wer selber einen Garten hat, weiß, wie schwierig schon die Frage ist, ob man Schneckenkorn verwendet oder nicht. Es ist unsere Verantwortung, aus der Fülle der Möglichkeiten die richtige auszuwählen, die im Sinne des Schöpfers steht. Es geht darum, mit einem wachen Auge zu leben und sorgfältig anzuschauen, was man tut und was nicht. Es ist ja nicht unsere Idee. Es ist Gottes Auftrag, die Erde zum Blühen zu bringen.

In diesem Sinne sind wir angefragt. Viel hilft viel – selbst dann, wenn wir dabei auf dies und jenes verzichten.

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