Zwischen Christus und Karl Marx

Apostelgeschichte 4, 32-37 – Br. Markus

Im Paragraphen 1006 des BGB wird grundsätzlich vermutet, daß der Besitzer einer beweglichen Sache auch deren Eigentümer ist – wer die Sache hat, muß sie sich nicht ohne weiteres wegnehmen lassen. Meins oder deins – bei meiner Gitarre ist es einfacher. Ich hab sie selber bezahlt, also gehört sie mir. Es geht heute morgen nicht darum, sich von Gott etwas wegnehmen zu lassen oder um`s kleinliche Feilschen, wem was gehört. Es geht um Gottes Art zu denken. Die wirkt sich darauf aus, wie Christen Eigentum verstehen.

wir können Gemeinsam haben und geben

1.          Alle gehören einem

„Allein – wir sind allein, wir kommen und gehen ganz allein.“  singt Reinhard Mey in einem seiner Lieder.

Ja, es fühlt sich ab und zu so an, stimmt aber leider nicht. Ich bin nur einer von einer Milliarde sich einsam fühlender Menschen, die um ihr Dasein kämpfen, um ihr tägliches Brot, und es fühlt sich nicht nur so an, es ist ein täglicher Kampf. Das streitet die Bibel nirgends ab. Das Entscheidende dabei ist: Ich bin nicht allein. Ich muß nicht alleine um mein Dasein kämpfen, sondern ich gehöre Gott, der mich begleitet – sogar dort, wo ich mich einsam fühle. Wir alle gehören einem. Egal, wie man dazu steht, alles gehört einem, alles, was sich auf dieser Erde dreht. So heißt das christliche Weltverständnis. Aus diesem Schöpfungsverständnis heraus bildet sich unsere Einstellung zu allen Dingen des Lebens, also auch zu Eigentum und Besitz. Für Christen gibt es kein Eigentum, nur Besitz. Wir sind im Besitz der uns anvertrauten Güter. Wir sollen und dürfen Herrschaft ausüben über die uns anvertrauten Werte, ohne deren Eigentümer zu sein. So, wie ein Mieter im Haus oder ein Verwalter.

In diesem Verständnis unterscheiden wir uns grundlegend von Karl Marx oder ähnlich geprägten Ideologien. Mein Bauch gehört nicht mir, er ist mir aber anvertraut. Gott vertraut sich mir an, sein Sachverwalter auf dieser Erde zu sein, und ich bin damit nicht allein. Es gibt noch mehrere Millionen Sachverwalter und Sachverwalterinnen außer mir, neben mir, vor mir und nach mir. Göttliches Wertverständnis bezieht alle und alles mit ein. Deshalb nimmt Gott auch niemand was weg, um es anderen zu geben, so Robin-Hood-mäßig das auch klingen mag. Es geht ganz anders. Alle gehören Einem.

Dieser Eine vertraut Menschen, allen, völlig unterschiedliche Werte an. Das unterscheidet christlichen Sozialismus deutlich von marxistischem Sozialismus. Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, daß jeder gleichermaßen gut mit Besitztum umgehen kann. Es ist aber auch ein Irrtum zu glauben, daß mein Geld mir gehört, wenn ich die Gabe es Geldverdienens habe. Gottes Verständnis von Besitz ist nie getrennt vom Blick auf den anderen, den Bruder oder die Schwester neben mir. Darin sind wir Christen absolut solidarisch mit allen Sozialisten dieser Welt, Schulter an Schulter. Geldvermehrung zu Lasten anderer ist unchristlich, auch wenn sie legal oder hochprofessionell organisiert ist. Alle gehören einem. Also ist auch der billigste Chinese oder Neger in der Kohlegrube Südafrikas mein Bruder, und ich kann es nicht zulassen, daß er hungert und friert, wenn es mir gut geht. Die Kaffee-, Tee-, Bananen- oder Radieschenpreise dieser Welt müßten ganz anders aussehen – aber nicht nur das.

Im Verständnis Gottes von dieser Welt gehört

2.          Allen alles

2 Alle in der Gemeinde waren ein Herz und eine Seele. Niemand betrachtete sein Eigentum als privaten Besitz, sondern alles gehörte ihnen gemeinsam.

Christsein heißt, mit Gott ein Gemeinschaftskonto haben. Für Gott geht es zuerst nicht so sehr um Besitz als viel mehr um die Frage von Gemeinschaft. Koinonia – wie es im Griechischen heißt – ist der große Wesenszug Gottes, der die Bibel von Anfang bis Ende durchzieht – gelebte Gemeinschaft. Dem entgegen steht das Böse, das immer als eigenständiges, alleiniges, auf sich selber fixiertes Handeln verstanden wird.

Will heißen: Überall wo ich nur danach strebe, daß es mir allein gut geht, bin ich außerhalb meiner göttlichen Bestimmung, selbst wenn ich zu diesem Zweck in ein Kloster eintrete oder Missionar werde. Erst wenn es allen gut geht, ist es Gemeinschaft. Erst wenn alle gleichermaßen gut dastehen, ist es Kirche. Eine Kirche für besser Verdienende gibt es nicht. Es geht, wie gesagt, nicht nur um Besitz, sondern um Gemeinschaft in allen Bereichen. Wo allen alles gehört, sind alle für alles verantwortlich. Und das fühlt sich streckenweise sehr anstrengend an.

Die Gemeinschaft, die Gott vorschwebt, ist die schwierigste und zugleich spannendste Lebensaufgabe, die es geben kann. Christliche Kirche will keine Massenbewegung oder Diktatur sein, in der alle das tun, was gerade angesagt ist. Es geht nicht um Auflösung von persönlichen Bedürfnissen oder Zerstörung von Indiviualität.

Ganz im Gegenteil. Es geht darum, bei allem was ich tue und empfinde an die anderen zu denken, nicht über sie hinweg, sondern mit ihnen und trotz ihrer anderen Sichtweise. Es gilt, miteinander einen gemeinsamen Weg zu finden. Es geht dabei auch um`s Geld, aber nicht nur. Es geht darum, meine persönlichen Stärken für den anderen einzusetzen und nicht gegen ihn.

Der Ankerplatz für eine kleine Luxusjacht kostete in Nizza vor ca. 10 Jahren 4.500.- Euro pro Monat. Ein Spargelstecher verdiente zu der Zeit 5.- pro Stunde. Ein Pilot verdient über 200.000.- Euro im Jahr, eine Kassiererin 20.000.- Da gibt es schon noch Handlungsbedarf.

Christen können und sollen

3.          Gemeinsam haben und geben

Der Entwurf des Neuen Testaments ist kein Sparprogramm für abgemagerte Asketen. Gott findet Geiz nicht geil. Weil allen alles anvertraut ist, heißt Glauben vor allem: Aus der Fülle Gottes leben.

„Keinem in der Gemeinde fehlte etwas“ wird von der Urgemeinde berichtet.

Im Alten Testament sind reiche Ernten und gute Erträge immer Zeichen der Güte Gottes. Es geht also nicht um ein Sparprogramm, sondern um`s ganze Gegenteil. Gott will, daß wir uns investieren in diese Welt. Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden zeigt die gleiche Zielrichtung. Nicht die Angst zu verlieren, sondern die Hoffnung auf Ertrag prägt die Richtung.

Es geht um das, was Gott uns anvertraut hat. Jeder hat irgend etwas reichlich. Nicht, was ich nicht habe, sondern das, was ich habe zu teilen, ist mein Gottesauftrag. Was ich habe, was ich reichlich habe, kann ich anderen zukommen lassen ohne zu verarmen – im Gegenteil. Teilen ist das neue Haben, Teilen in Gottes Auftrag ist ein Teilen mit Profit, ein Teilen, das nicht nur den anderen, sondern auch mich selbst bereichert. Mein Reichtum entfaltet seine volle Kraft dort, wo ich ihn in Gottes Auftrag verteile – am anderen, in der Gemeinschaft.

40 Jahre unserer Bruderschaft sind auch 40 Jahre neutestementlicher Gütergemeinschaft. Wir haben jetzt auch keinen Goldesel im Keller, der Dukaten ausspuckt, aber wir haben den Versuch gewagt, alles in diesem Sinne einzusetzen. Viel wichtiger als so ein organisierter Rahmen, den ja nicht jeder hat, ist die tägliche Bereitschaft, sich von Gott mitnehmen zu lassen zu dem total verrückten Projekt der Hingabe. Gott gibt alles, was er hat. Seine Kirche ist also ein Verein derer, die alles geben, weil sie alles haben, weil ihnen alles anvertraut ist. Wir sind als Besitzer der Erde geboren, deren Eigentümer Gott selbst ist. Die Erde ist eine bewegliche Sache. Sie dreht sich nicht nur um sich selbst, sondern im Weltall umher. Ein rasend schnelles Projekt – man merkt es nicht, aber wir drehen uns mit. Es wäre unklug, diesen schönen Planeten als verbrannten Boden zu hinterlassen. Wir sind die Besitzer einer beweglichen Sache.

Es ist unser Auftrag, in Bewegung zu bleiben. Es ist unser Gottesauftrag, die Erde erblühen zu lassen, nicht nur zu melken. Zwischen Christus und Karl Marx liegen Welten. Es soll ja nicht so enden wie nach 40 Jahren DDR. Gönnen wir uns also lieber den christlichen, den einzig tragfähigen Sozialismus in Christus.

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