Aufbruch ist auch Umbruch

Auch wenn die Kirche auf wackeligen Beinen steht und manche Säulen wegbrechen, lässt der Herr der Kirche keinen Trümmerhaufen zurück.

„Lass leuchten dein Angesicht über dein zerstörtes Heiligtum um deinetwillen, Herr!“
Dan. 9, 17

Welch krasse Gegensätze treffen hier aufeinander. Jerusalem liegt am Boden. Das Gottesvolk ist über ihrem Ungehorsam und Eigenwillen zerschlagen. Da ist nichts mehr vom Glanz der Erwählten. Bei den Glaubenden ist die Luft raus. All die Werte und Schönheiten einer Gemeinde verwirtschaftet, die Armen sind auf der Strecke geblieben. Über diesen hoffnungslosen Zuständen ruft Daniel diesen Psalmvers aus: Lass leuchten dein Angesicht. Es grenzt schon fast an Unverschämtheit, Gott in ein Elend hineinzubitten, das selbst verschuldet ist. Da haben wir uns eine Suppe eingebrockt, die ein anderer auslöffeln darf. Da ist das Leben an die Wand gefahren, und ein anderer soll es kitten. Eigentlich der Punkt, an dem jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und das ausbadet, was er sich eingehandelt hat. Es ist ganz normal, dass jeder die Konsequenzen für sein eigenes Handeln übernehmen muss. Doch Daniel appelliert an das leuchtende Angesicht. Er ruft nach Erbarmen. Er legt die Schuttberge Gott zu Füßen. Damit gesteht er ein, es liegt nicht in unserer Macht Reich Gottes zu bauen. Wir sind eigentlich gar nicht zu der Liebe fähig, die Gott unter die Menschen verströmen will. Es ist die Kapitulation vor dem Höchsten, die erkennt, alles liegt in seinem Leuchten. Berufen sein heißt, sich täglich bewusst zu werden, ich lebe einzig aus der Barmherzigkeit. Damit schafft sich Gott selbst Ehre, dass er sich über Unfähige erbarmt. Die Tragik von zerstörtem Heiligtum, wird vom leuchtenden Angesicht überstrahlt. Es ist einzig Gott, der zerstörtes Heiligtum aufrichtet, unabhängig von den Trümmern, die seine Berufenen hinterlassen haben.

Ein gewaltiger Trost für alle die sich mühen und so wenig Ertrag sehen. Gott gefällt es mit schwachen, angefochtenen Menschen, etwas ganz neues zu schaffen. Wo das leuchtende Angesicht über unserem Leben steht, dürfen uns ruhig die Knie schlottern und uns manche Aufgaben als zu groß erscheinen. Da brauchen wir keine Angst haben, wir seien den Herausforderungen nicht gewachsen. Leuchten ist immer stärker als Trümmer und Ohnmacht. Da ist die ganze Gottesgegenwart in zerbrochenen Menschen und Verhältnissen. Wo sein Angesicht leuchtet, wird auch eine nach außen hin sterbende Kirche, durch geistliche Aufbrüche, von Gemeinschaften und Kommunitäten erneuert und belebt. Da entsteht eine bereichernde Vielfalt durchaus auch am Rande und außerhalb von dem, was wir an klassischer Kirche kennen. Da kommen wertvolle Impulse, die die Kirche inzwischen immer mehr für sich entdeckt. Da kann es sein, dass Altes sterben muss, damit Neues Raum bekommt. Wo Gottes Angesicht leuchtet, bleibt es nie beim zerstörten Heiligtum.

Können wir da nicht viel mehr Mut entwickeln, wenn wir wissen, dass wir nicht auf verlorenem Posten kämpfen?

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