Mit dem Zweiten sieht man besser

Mit dem richtigen Blick sehen wir auf dem zwanzig Euro Schein hohe gotische Fenster, mit feinem Maßwerk und Brücken, die die Völker Europas verbinden.

„Ich will sie sammeln von den Enden der Erde, unter ihnen Blinde und Lahme, Schwangere und junge Mütter, dass sie als große Gemeinde wieder hierher kommen sollen.“
Jer. 31, 8

Was Jeremia hier aufleuchten lässt, ist der weite, umfassende Blick des Glaubens. Es ist ein Spiegelbild für alles, was mit Reich Gottes zu tun hat. Die Menschen sind in ihren Tagen mit Lasten unterwegs und man sieht überhaupt nicht viel vom „lieben Gott.“ Auch das Volk Gottes sieht auf seinem Weg viel Jammer und Elend. Da ist oft so wenig von dem zu sehen, was die Erfüllung des Glaubens ausmacht. Da menschelt es eben wie überall. Da sieht man so wenig von dem Glauben, der Berge versetzt. Der Blick fällt auf Blinde und Lahme, auf die demente Mutter, die einen nicht mehr kennt, aber einfach nicht sterben kann. Leid ohne Ende, Zank zwischen Glaubensgeschwistern, und die Lasten der Arbeit, die nicht zu bewältigen sind. Wo lassen sich da die Erneuerungskräfte spüren, die uns verheißen sind? Den Blick, den Jeremia hier entwickelt, dass er in all dem Elend eine große Gemeinde sieht, die sich wieder versammelt, kommt nicht aus dem, was er wirklich vor Augen hat. Die große Gemeinde erkennt der, der die Gesamtzusammenhänge der Bibel versteht. Jeremia zeichnet hier eine Christus-Spur. Er bringt Passionswege mit dem Osterglauben zusammen. Die Augen des Glaubens sehen immer beides, das Kreuz und das leere Grab. Da beginnt das Sammeln der großen Gemeinde unter den widrigsten Umständen, genau dort, wo man eigentlich noch gar nichts davon sieht. Wege des Glaubens stehen immer im Zusammenhang mit der Vollendung. Von dem Christus-Wirken ist immer mehr da, als wir im Augenblick erkennen können. Es entsteht oft in größter Armseligkeit mehr Reich Gottes, als wir erahnen können. Vieles geschieht angefochten und verborgen, auch wenn man nichts davon sieht, ist Gottes Handeln nicht aufzuhalten.

Jesus sagt: Hebt eure Augen auf und seht auf die Felder; sie sind schon reif zur Ernte, auch wenn es bis dahin noch vier Monate sind. Der Glaubende bekommt einen zweiten Blick. Mit dem zweiten sieht man besser! Es ist der Blick der Passion und Ostern zusammenbringt. Darin erkennt er die Notwendigkeit der Passion, auf dem Weg zur Herrlichkeit. Er erkennt bereits im März die Ernte des Juli. Der Glaube kann nicht das eine ohne das andere sehen. Er sieht die große Gemeinde auch dort wo die Kirchenbänke leerer werden. Da ist immer mehr Hoffnung da, als die Umstände zulassen. Diesen Blick entwickelt der Glaube, auch wenn es noch so menschelt. Dieser Blick sieht den zwanzig Euro Schein nicht nur von einer Seite.

Warum sollte bei solch einer Verheißung, unser Glaube nicht viel mehr sehen als nur das, was vor Augen ist?

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