Wie man als Kamel durchs Nadelöhr geht

Markus 10, 17-27

 

 

 

Ehrlich gesagt, weiß ich es auch nicht, weil ich noch nie ein Kamel war. Esel oder Kommerzschwein hat man mich schon öfter genannt, aber im Vergleich zu einem Kamel ist das immer noch klein. Schon als Goldhamster hätte man ein Problem, sollte man durch ein Nadelöhr kriechen – das sieht doch jeder ein. Da muss man gar nicht als Kamel geboren sein, um zu bemerken, dass es eng wird, sehr eng sogar. Selbst dann, wenn man sich schlank macht, irre schlank, passt man  nicht durch. Klar, so ein Nadelöhr ist eben klein, winzig sogar. Wäre doch Tierquälerei, wollte man selbst eine Ameise hindurchzwängen. Wie man’s auch anstellt, es geht nicht. Es klappt weder so noch anders. Mit und ohne Zauberei kann es nicht sein, dass es passt.

So unmöglich ist es, dass ein Reicher in’s Reich Gottes kommt – sagt Christus im heutigen Predigttext. Das ist hart, bretthart.

1.          Weil es unmöglich ist

Es ist eine traurige Geschichte, extrem traurig sogar. Sie erzählt von einem, der gescheitert ist, nicht geschafft hat, was zu schaffen war. Es ist die niederschmetternde Botschaft von einer gescheiterten Berufung. Da ist einer, der nicht konnte, obwohl er wollte, ein Jünger, der keiner geworden ist, weil’s nicht geklappt hat. Gescheitert trotz bester Voraussetzung. Gescheitert trotz tadelloser Biografie. Gescheitert trotz großem Einsatz.

Wie kann so was sein bei einem liebenden Jesus und einem gnädigen Gott? Wie kann es sein, dass hier kein Wunder geschieht, so dass der reiche Jüngling alles aufgibt und mitgeht? Es will einfach nicht klappen mit dem heutigen Sonntagswunder. Jesus, der Kranke gesund macht und Berufungen ausspricht, kriegt diesmal nix gebacken, wie es scheint. „Er ging traurig weg“ heißt es im Text.

Der, der ein zweiter Petrus und Johannes hätte sein können, geht weg, scheitert schon in der Vorstufe, bevor es überhaupt losgeht. Ein bestens qualifizierter, zum Jünger ideal geeigneter Mensch verpasst die Chance seines Lebens – und Christus lässt es geschehen, geht ihm nicht nach, greift nicht ein, setzt seine Anforderungen nicht herunter. „Das musste ja so kommen. Irgendwie ist der ja auch total überfordert. Christus überfordert den Mann – oder nicht?“ „Verkaufe alles, was du hast, und gib das Geld den Armen.“

Hätte Christus die Hälfte oder zehn Prozent gefordert, hätte es ja vielleicht geklappt mit einem neuen Jünger. Mit  einem gut situierten , gut verdienenden, finanziell begüterten Sponsor im Rücken – da hätte man es doch insgesamt viel leichter gehabt. Es sei eben eine ganz besondere Art der Berufung gewesen, meinen manche Theologen, nicht für die breite Masse gedacht. Wenn das jeder macht, so alles aufgeben und nachfolgen, wo komme man denn da hin? Ja, es ist wahr, es gibt in Jesu Jüngerschaft Menschen mit mehr Geld. Joseph von Arimathia ist Jünger und reicher Mann. Maria und Marta besitzen sogar ein Haus. Also wozu sich allzu viele Gedanken über diese Kamelpassage in der Bibel machen! „Geh hin und verkaufe alles“ – ist das an alle Christen gerichtet oder nur an ein paar dicke Problembären, die auf ihrem Zaster sitzen?

Schon klar, wenn einer nix auf dem Konto hat, tut er sich mit dem Sozialismus leichter. Ich kenne einen Menschen, der hat seine Berufung immer dann entdeckt, wenn der Kontostand immer mindestens bei minus 30.000.-  war – da wurde die innere Stimme immer lauter, in’s Kloster zu gehen. Traurig, aber war. Es geht aber um mehr, als nur um’s Geld. Christus ist nicht Cheguerra – auch wenn Gott ein sozialer Gott ist geht es hier nicht um den Sozialismus, der sowieso gescheitert und zum Scheitern verurteilt ist. Es geht nicht nur um’s Geld.

Am  Martinskirchturm in Kirchheim hängt zur Zeit ein großes Transparent mit einem Luther-Zitat: „Woran einer sein Herz hängt, das ist seine Gott.“ Es geht also um meine ganz persönliche Bindung an meine Wünsche und Träume und das, was mich ausmacht. Es geht sicher auch um Geld, aber nicht nur. Das wäre viel zu einfach. Wir könnten so die zwanzig Minuten einer Predigt nutzen, um auf reichen Leuten rumzuhauen, die sowieso nichts taugen, und sind dabei fein raus, getreu dem Motto „Meine Eltern waren arm aber rechtschaffen – und somit ich auch.“

Es geht aber um mehr. Es geht um das, woran mein Herz hängt. Es geht um die grundsätzliche Überforderung, die Christus anspricht, und die mit dem Glauben fest verbunden ist: Loszulassen – loslassen, woran mein Herz hängt. Das ist so unmöglich wie ein Kamel, das durch ein Nadelöhr muss – gerade deshalb, weil ja mein Herz daran hängt. Glaube ist die Unmöglichkeit, die mir Gott zumutet. Glaube ist meine Unmöglichkeit, mich von mir selbst zu verabschieden. Glaube ist loslassen. Glaube beginnt, Glaube zu sein, immer erst dann, wenn ich darauf verzichten kann, es selber zu machen.

Weil es unmöglich ist

2.          Geht Glaube anders

„Für Menschen ist es unmöglich, aber nicht für Gott. Für ihn ist alles möglich!“

Glaube ist mehr, als eine Ahnung. Er ist mehr als nur die Anstrengung, ein guter Mensch zu sein. Hätte der reiche Jüngling tatsächlich verkauft und verschenkt, hätte er geglaubt, ewiges Leben damit verdient zu haben. Aber genau das geht so nicht. Selbst wenn uns unsere Berufung heimatlos, familienlos, besitzlos oder schutzlos macht, heißt das noch lange nicht, dass daraus ein Rechtsanspruch auf ewiges Leben entsteht. Loslassen ist nur der kleine Schritt, der den Glauben wirklich zum Glauben macht, zu einem Vertrauensverhältnis, das auf Schenken beruht, nicht auf Verdienst. Auf diesem Weg zu einem Vertrauensverhältnis stehen die eigenen Sicherheiten streckenweise im Weg. Sie versperren die Sicht auf Gott. Nachfolge ist völlig anders. Nachfolge ist lebendiges Gespräch mit Gott, gemeinsam geplante Sache, gemeinsames Handeln, gemeinsam gestaltetes erstes Gebot. Das erste Gebot führt zur Veränderung unseres Denkens, nicht zur Aufgabe desselben. Gott will meinen Gedanken durch seinen Gedanken bereichern. Er will meine Fantasie durch seine Möglichkeiten erweitern. Er will mich in neue Räume führen, jenseits meiner Vorstellungskraft. Eben weil Gott mehr ist als ein menschliches Gedankengebäude, reicht sein Berufungsverständnis weiter. Das funktioniert nur, wo ich loslassen kann, Abschied feiern von allem, was Gott im Weg steht, auch wenn ich selber nicht erkennen kann, was hindert.

Es geht Gott nicht um’s Wegnehmen – ER will frei machen, vor allem auch vor aller Angst, vor der Angst zu verlieren. In eine volle Teetasse kann man nichts mehr einschenken – das ist eine alte Weisheit. Im Ruf zur Nachfolge ruft Gott zum Vertrauen, sich neu befüllen zu lassen. Es geht um eine durch Gott bereicherte Lebensweise. Wenn ich den Himalaya besteigen will, nehme ich dazu nicht mein altes Sofa und den Kühlschrank mit, auch nicht den Fernseher von Oma. Es würde auf dem Weg zum Gipfel nur hindern. Es geht darum, mit wenig Ballast möglichst schnell möglichst weit zu kommen. Das ist Gottes Idee für seine Kirche: vom unnötigen Ballast zu befreien. Er will keine Truppe fanatischer Asketen, die blind sind für die Schönheit der Schöpfung. Er will aber schon ein bisschen Sportsgeist bei allem, was er so macht. „Unbefangen mit dabei sein“ heißt die Devise. „Mir ist alles erlaubt, aber nicht alles nützt mir“ formuliert Paulus. Es geht dabei einfach nur darum, zu überlegen, was vorwärts bringt und was hindert.

Da gibt es keine Pauschalurteile. Reichtum kann nützen, aber auch hindern, Hobbys können beschleunigen, aber auch bremsen. Persönliche Vorstellungen sind manchmal eine Bereicherung und Belastung zugleich. Das ließe sich endlos fortsetzen. Es geht um den Handlungsspielraum, den Gott in uns hat. Sind wir Gottes Bremsklotz oder sein Turbolader? Gott will den Menschen ganz, nicht nur ein bisschen. Deshalb sollte es auch ganze Nachfolge geben, nicht nur ein bisschen, nicht nur scheibchenweise, zögerlich oder nach und nach.

Wenn man als Kamel durch ein Nadelöhr will, muss man sich schlank machen, irre schlank sogar. Und da stellt sich schon die Frage, welche frommen Steckenpferde oder kleine Sicherheiten noch mit durchpassen durch’s Nadelöhr, ohne kleinkariert zu sein. Gott ist großzügig. Er will keine bis auf’s letzte Gramm abgemagerten Helden des Glaubens. Da ist viel Spielraum. Natürlich ist das zuviel, als dass man’s machen könnte, und sicher ist es unzumutbar. Aber es macht den Glauben zu dem, was er ist, zum Abenteuer des Vertrauens. Wer dazu immer sein ganz persönliches Sofa braucht, kann nicht mit abheben, wenn die Post abgeht. So einfach ist das.

Glaube ist das Geschenk, nicht der Verdienst, der entsteht, wo ich auf mein gesundes Misstrauen verzichten kann. Es geht um eine völlig neue Beweglichkeit, die entsteht, dort, wo man dem berufenden Wort folgt und sich löst. Wo das Wort uns bewegt, muss man nicht traurig weggehen, sondern kann mit allen Gütern neue Schritte in ungeahnte Richtungen wagen. Als Kamel durch ein Nadelöhr passt nur der, der sich dafür schlank machen lässt.

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