Freundlich verblüffen

Wo die Enttäuschung regiert, kann man nicht versöhnt zusammenleben.
„Josef tröstete seine Brüder und redete freundlich mit ihnen.“

1. Mose 50, 21
Trösten und freundlich reden ist zunächst nichts Außergewöhnliches. Wenn wir jedoch betrachten, wem gegenüber das geschieht, bekommt die Situation eine unfassbare Brisanz. Josef legt seinen Brüdern gegenüber ein unmenschliches Verhalten an den Tag. Seine Brüder sind nicht die netten Geschwister, sondern ganz große Halunken. Es sind Betrüger, Erbschleicher und brutale Sklavenhändler. Sie bescheißen ihren Vater, verkaufen ihren Bruder als Sklave und das alles aus Habgier und Eifersucht. 
Die freundlichen Worte treffen Nahestehende, die voller Hass sind und deren Verzweiflung über sich auf ihr Gewissen schlägt. Freundlich zum Bösen ist keine menschliche Reaktion. Zumal die freundlichen Worte aus einem zutiefst gedemütigtem Herzen kommen. Josef hätte hier allen Grund, die Faust auf den Tisch zu schlagen. Freundlich ist eine Christusgesinnung. Dahinter steht ein Gott, der mit dem Übel einen grundsätzlich anderen Umgangstil pflegt. Hier begegnet der Gute dem Bösen. Angesichts der menschlichen Schande flippt Gott nicht aus, sondern heilt das Zerstörende. Wo der Gute regiert, wird das Böse nicht vernichtet sondern verwandelt. Die Gottesliebe kann nicht hassen. Das Gute ist in sich vollkommen. Würde sie sich auf das Böse einlassen, hätte sie aufgehört gut zu sein. Mit Christus antwortet Gott allem Hass. Den zerstörenden Kräften begegnet er mit heilenden Kräften. Das Böse kann nicht mit dem Bösen aus der Welt geschafft werden, da wäre noch lange kein Gutes. 
Daher kann nur ein Verwandelter freundlich reden, um andere zu verwandeln. Gott verblüfft den Sünder mit Liebe. Dietrich Bonhoeffer sagt es treffend: „Das segnende Wort verandelt auch den, der es ausspricht.“
Ist das nicht eine umwerfende Übung, den üblen Bruder mit dieser Gesinnung zu verblüffen?
Einen gesegneten Sonntag wünsche ich euch. 

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