Gott traut sich was

-Br. Markus- Micha 5, 1-4a

Für Gott ist es ganz klar ein Risiko – wenn nicht das größte Wagnis überhaupt: Weihnachten, das große Fest. In der Vergangenheit war es eher so, dass er gar nicht willkommen war, hier auf der Erde – und heute wieder, nicht nur damals, im alten Israel. Heute steht die Frage nach dem Sinn und Zweck des Festes überhaupt. Keiner von uns würde zu einer Party gehen, auf der er nicht willkommen ist. Keiner strebt Partnerschaft mit jemand an, der sie nicht haben will. Man sieht sowieso nicht in den anderen rein, weiß nicht, ob’s gut geht, weiß nicht, wie der oder diejenige tickt.

In Christus, seinem Sohn, traut sich Gott in eine Welt, die ihn des Öfteren so gar nicht haben wollte, obwohl sie Sehnsucht hat nach glücklicheren Tagen und sonnigeren Zeiten. Gott traut sich da hinein, in eine Welt, die mit sich selbst nicht wirklich im Reinen ist.
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1. Mitten unter uns

„Aber zu Bethlehem im Gebiet der Sippe Ephrat sagte der Herr: Du bist zwar eine der kleinsten Städte Judas, doch aus dir kommt der Mann, der mein Volk Israel führen wird.“

In Christus bringt Gott nicht den großen Event-Dreiteiler im Gute-Laune-Format. Auch nicht ungebremste O-du-fröhliche oder O-Tannenbaum im Ohne-Ende-Salat. Zu ernsthaft und zu schattig ist all das, was an Weihnachten abläuft, als dass man’s irgendwie überdröhnen könnte. Zu viele Sattelschlepper landen ungebremst im schön beleuchteten Weihnachtsmarkt. In Christus startet keine Heile-Welt-Programm – auch dann nicht, wenn uns danach zumute ist. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wären die Schatten der Welt weggefegt – wenn auch nur für diesen einen, den Weihnachtstag. Ist aber nicht!

Schön auch deshalb nicht, weil Weihnachten nicht das Produkt unserer Sehnsucht ist. Es ist nicht das Produkt unserer Sehnsucht nach Glück, Gesundheit, Wohlstand und Wohlergehen. Eben dann wäre es Rausch, der vergeht, schmerzhaft zurückprallt in die eben eher dunklere Wirklichkeit. Gott riskiert sich unter uns. Das ist kein Spaßprogramm – selbst dann nicht, wenn’s glücklich macht. Es fängt klein an, bescheiden und unbedeutend, mitten unter uns, so klein, dass es kaum einer bemerkt. Die offiziellen Geschichtsschreiber bemerken und beachten diese Geburt nicht. Gott startet mindestens so bescheiden, wie Apple und Bill Gates – im Garagenformat. Nicht das Erhabene und Bestaunenswerte eines Gottessohns macht den Anfang, sondern der partnerschaftliche Moment Gottes, Mensch unter Menschen zu sein. Bethlehem – so klein, wie ich selbst und die Welt, die ich mir denken kann – so groß, wie mein Gesichtsfeld, das ich überblicke, so klein wie meine Ahnung, die ich habe, so winzig wie mein Vermögen, irgend etwas zur Rettung der Welt zu tun. So klein traut sich Gott zu sein. Klein, wie Menschen sind – nicht nur niedlich klein, sondern zu klein, um wirklich etwas bewegen zu können. In Sachen Großmut klein, klein im Helfen können und Vertrauen, klein im Durchhalten oder Wiederaufstehen, eher erlöschend in unserer Leuchtkraft.

Ich bin nur Staubkorn in der Wüste, Tropfen am Eimer“ sagt der Psalmist an anderer Stelle. In Christus macht sich Gott staubkorngroß, um Staubkorn unter Staubkörnern zu sein. Das hat nichts mit künstlicher Reduzierung seines oder meines Könnens und Denkens zu tun. Es ist Gottes Suche nach echter Partnerschaft. Gott ist mein Partner in meinem Format, nimmt in Christus meine Größe an, schuhgroßgleich. An Weihnachten fängt Gott an, in meinen Schuhen zu laufen, nicht ich in seinen. Er geht auf Augenhöhe mit. Neben mir ist einer, der mich wirklich verstehen kann – vor allem in der letzten Einsamkeit meiner selbst, in der ich mich finde, wenn selbst alle vertrauten Freunde und Verwandte mich nicht verstehen.

Das eigentliche Geschenk Gottes ist dieser Partner, vor dem ich nicht mehr darstellen muss, als ich wirklich bin. Christus geht mit mir, wenn’s sein muss, im Rückwärtsgang. Er kommt mitten unter uns, achtet uns für groß genug, um an unserer Seite zu gehen – auch wenn das kleine Schritte sind. In Bethlehem fängt er ganz klein an, in einem Kuhdorf. Er begründet christliche Tugend, die Welt mit kleinen Schritten groß zu verändern. Krippengroß geht der große Masterplan Gottes in eine neue Phase, die
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2. Weihnachtliche Partnerschaft

„Wie ein Hirte seine Herde weidet, so wird der neue König regieren. Gott, der höchste Herr, hat ihn dazu beauftragt und gibt ihm die Kraft. Dann kann das Volk endlich in Sicherheit leben, denn selbst in den fernsten Ländern der Erde wird er als Herrscher anerkannt. Er bringt Frieden.“

Gott traut sich in die Welt in unserer Form hinein. Er gründet eine Partnerschaft, die nicht von dieser Welt, aber für sie ist, geschaffen, um diese Welt in eine andere, in eine neue Welt zu formen, in der mehr Leben, weniger Sterben ist. Gott traut sich an mich ran, um mich zu fragen, ob ich will, dabei sein will, wenn es darum geht, diese Welt in eine bessere zu wandeln. Da ist kein Spielraum für religiöse Traumtänzerei, wenn Gott mich anspricht. Weihnachtliche Partnerschaft reicht weit, bis Ostern und von Ostern bis Weihnachten und wieder zurück. Jederzeit steht Christus für mich bereit. Er steht bereit, damit auch ich für andere bereitstehen kann. Christus hört mir zu, damit ich zuhören kann. Christus weckt mich auf, damit ich aufwache. Das findet statt, fängt an Weihnachten nur an, hört aber nicht an Sylvester wieder auf. Weihnachtliche Partnerschaft lebenslänglich – nicht eingezwängt und überwacht, sondern frei gemacht in eine Partnerschaft, die überlebt, wenn alles andere zu Boden geht. Es ist die erste und letzte Idee Gottes: Ewige Partnerschaft zwischen Mensch und Gott. Er versteht sein Hirtenamt nicht als Aufpasser über mich, sondern als Ansprechpartner in allen Dingen, Partnerschaft von Anfang an. Nicht, dass jeder das macht, was er für gut findet, sondern was einbringbar ist. Gott will denn Menschen als handelndes, überlegendes Wesen, nicht als gegängelten Hampelmann. Er will unsere Initiative. Das macht lebendige Partnerschaft aus – dass jeder zu Wort kommt. Herrschaft Gottes ist Vertrauensherrschaft, frei von Angst. Frieden  – echter Christusfriede kennt auch keine religiöse Angst. Gerade das ist die stärkste Seite an dieser  Fusion, dass sie angstfrei macht. Nicht ich oder wir, sondern unser Partner hat die Welt überwunden in ihrer Angst, in der sie steht. Unser Partner macht den Frieden in mir aus, den ich selbst nicht finden kann. Meine Zerrissenheit findet zur Ruhe in ihm. Es geht nicht um ein oberflächliches Schwamm-drüber-Konzept, oder um angeordnetes, braves Benehmen in moralischer Vollkommenheit.

Der Friede Gottes ist weit mehr. Es geht nicht um Waffenruhe oder stilles Erdulden Andersdenkender. Christus versöhnt den Menschen zuallererst mit sich selbst. Nur das kann wahren Frieden schaffen, egal wo, egal wie. Nur mit sich selbst versöhnte Menschen vermögen sich wirklich zu vertragen. Ohne Partner, gottlos, schafft das keiner – gerade auch, weil es dabei nicht darum geht, unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen plattzubügeln. Die ganze Bibel erzählt von Menschen, die mit Gott gerungen haben, mit dem Schicksal und dem rechten Weg. Gott hat sich nicht in eine Krippe gelegt, um allezeit sanftselige Heiterkeit zu verbreiten nach dem „Eiapopeia-Prinzip“. Weihnachtsfriede, den Christus gibt, steht immer im Spannungsfeld inmitten von Unfriede der Welt, wie eine Kerze, die brennt in der Dunkelheit. Friede Gottes lässt sich nicht durch Atemtechnik verbreiten. Es braucht eher handfeste Maßnahmen, um ihn zu verwirklichen. Versöhnung mit mir, mit den anderen, mit Gott und der Welt kann nur glaubhaft werden, wo Wahrheit zur Sprache kommt. Selbst die schönste Adventsmusik kann das nicht leisten. Christus bringt den Menschen nicht in eine religiösere Stimmungslage, sondern in die aufrichtigere Beziehung zu sich und allem, was ihn umgibt. Es geht um eine veränderte Denkweise.

In Bethlehem fängt Gott damit an, in einem ganz kleinen Format die Denkweise der Welt großräumig zu verwandeln, unser Denken in Bewegung zu bringen, damit sich wandelbares ändern kann in die neue, lebensfreudige Richtung. Gott traut sich raus, um uns für sich zu gewinnen – nicht nur an diesem einen „Kindergeburtstag“, sondern für eine weite, unaufhaltbare Zeit. Christus ist Gottes Antrag, den er uns macht, gemeinsame Sache zu machen in der Partnerschaft, die er schon gedacht hat, bevor wir denken konnten.

Gott traut sich das – wir doch auch (oder?). Amen.

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