Du bist verantwortlich

 

Predigt – Bruder Paidoios – 19.06.2016 – Römer 14, 10-13

Verantwortung ist schön, denn man kann gestalten, gute Wege planen, etwas schaffen. Verantwortung ist schwer, denn sie stellt in die Herausforderung, konfrontiert mit den eigenen Grenzen und ist ein ständiges mühsames Ringen um den rechten Weg. Dennoch kann sich der Mensch vor der Verantwortung nicht drücken, denn auch das ist eine Entscheidung mit allen Konsequenzen.

Du bist verantwortlich – stellen wir uns:
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1. Zugetraut

„Wir werden alle einmal vor Gott stehen und ER wird über uns urteilen. So wird also jeder für sich selbst vor Gott Rechenschaft ablegen müssen.“

Es gibt viel Reden, Vermutungen und Zumutungen um dieses Endgericht Gottes – und es ist viel Falsches im Schwange, so dass das Gericht Gottes am Ende der Zeiten zu einem drohenden Unwetter geworden ist. Wenn wir in die Tiefe hinein steigen, entdecken wir viel Gutes: Dass Gott am Ende selber über Gut und Böse bestimmt, ist ein Grund zur Hoffnung. All das Böse, all das Negative, all das Zerstörerische haben und hatten nie das letzte Wort. Und es ist Gott auch nicht egal, was an Unrecht an Menschen und in dieser Welt geschieht. ER sieht, ER registriert und ER handelt – nicht zuletzt in diesem letzten Gericht. So gesehen ist dieser Gerichtstermin nicht zu befürchten für Menschen mit ehrlichem Herzen, sondern zu ersehnen. Zum anderen läuft es anders als vor irdischen Gerichten, denn Gott selber – Jesus Christus – ist der Richter und erstaunlicherweise gleichzeitig der Verteidiger desser, der vor diesem Gericht steht. Es ist kein rachsüchtiger Gott, kein Gott, der die Vernichtung liebt, sondern dessen ganzes Herz für den Menschen schlägt. Ein Gott und ein Richter, der durchblickt, der die Grenzen des Einzelnen erkennt, abwägt wozu er fähig war und wozu er nicht fähig war und alle mildernden Umstände mit Freude ins Spiel bringt. Und letztendlich ist die Ankündigung des letzten Gerichtes ein ganz großes Zutrauen Gottes an den Menschen. „Es ist dir gesagt, Mensch, was Gut und Böse ist.“

Gott traut uns zu, zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Gott traut uns zu, die rechten Konsequenzen zu ziehen. Gott traut uns zu, Entscheidungen zu fällen und unser Leben bewusst als Person zu leben, denn Gott in seiner Gerechtigkeit würde niemand vor sein Gericht fordern, wenn er ihm nicht zutrauen und die Voraussetzung schaffen würde, dass er frei entscheiden könnte. Wir werden also nicht gelebt. Wir sind letztlich nicht abhängig von äußeren Um- und Zuständen, sondern Gott traut uns zu, dass wir leben mit aller Gestaltungs- und Entscheidungskraft. Eine Würde, die Gott dadurch schenkt, eine Würde, die dann eben auch mit Verantwortlichkeit verbunden ist.
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2. Überlassen

„Mit welchem Recht verurteilst du also einen anderen Christen? So wird also jeder für sich selbst vor Gott Rechenschaft ablegen müssen.“

Andere zu richten und gnadenlos zu verurteilen, hat zunächst und zuerst nichts mit Moral zu tun und ist deshalb auch nicht mit moralischen Vorsätzen auszumerzen. Die Erkenntnis geht viel tiefer. Die letztgültige Entscheidung über ein menschliches Leben steht nicht dem Mitmenschen zu, sondern Gott allein. Daraus verbietet sich ein endgültiges und grundsätzliches Verurteilen. Wer das tut, maßt sich die Stelle Gottes an, setzt Gott – auch wenn er sein Urteil sehr fromm begründet – letztendlich ab und stellt unter Beweis, dass er keinerlei Selbsterkenntnis hat. Denn jeder Mensch, der sich selber kennt, weiß um seine Grenzen und Schwächen, um Wollen und nicht Können, um gute Absichten und schwierige Verwirklichung. Und das, was ich von mir selber kenne, dem anderen nicht zuzugestehen, das ist das Grundproblem des grundsätzlichen Veruteilens. Auch das hat letztendlich befreienden Charakter. Ich darf, wenn ich Gott nicht ins Handwerk pfuschen will, den anderen nicht verurteilen. Damit begrenzt sich aber auch meine Verantwortlichkeit für ihn. Der reife, selbsteinsichtige Christ wird den anderen immer letztlich vor Gott stellen und auch dort belassen. Ich kann dann helfen, versuchen zu helfen. Ich kann beraten. Ich kann hinweisen. Aber die letztendliche Entscheidung fällt jeder für sich selbst für oder gegen Gott.

Auch das ist christliche Lebenskunst, die Dinge und die Probleme dort zu belassen, wo sie hingehören. Auch das ist christliche Lebenskunst, nicht immer meinen, wir müßten die Stellvertreter Gottes sein und alles regeln, alles entscheiden, alles gerade biegen was Krumm ist. Sicher wird sich der glaubende Mensch für Gerechtigkeit, Ordnung und Recht einsetzen, aber er kann, darf und muss es nicht in dieser Absolutheit, die allein Gott vorbehalten ist, weil eben zu einem umfassenden Urteil auch ein umfassender Durchblick gehört, den wir in unserer menschlichen Begrenzung niemals haben und der letztlich von uns auch nicht gefordert ist. Dieses Wort vom kommenden Gericht ist somit für uns nicht nur Begrenzung unserer Kompetenzen, sondern begründet auch die Eigenverantwortlichkeit des Nächsten, begrenzt mich auch meine Verantwortlichkeit, aber befreit mich auch davon, alles regeln und in Ordnung bringen zu müssen.

3. Umsichtig

„Deshalb wollen wir uns nicht länger gegenseitig verurteilen. Keiner soll durch sein Verhalten den anderen in Gewissensnot bringen oder in seinem Glauben verunsichern.“

Wer seine eigene Verantwortung kennt, wird umsichtig – auch in seinem Verhalten und seinen Einschätzungen. Christus sagt: Mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch gemessen werden. Die Maßstäbe, die wir an anderen anwenden, werden so automatisch zu Maßstäben an unserem Leben: hart oder verständnisvoll. Und wer um seine Verantwortlichkeit vor Gott weis, wird auch dadurch umsichtig, dass er priesterliche und seelsorgerliche Verpflichtung dem anderen gegenüber erkennt. So wie ich mir wünsche, dass mein Leben von Gott angeschaut wird, so werde ich dann auch auf das Leben des Anderen blicken. Wichtig dabei ist der Adressat und der Sitz dieses Textes: Es geht nicht um eine grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse – da wissen wir von Paulus auch ganz andere Thesen – sondern es geht um den Umgang der Glaubenden untereinander und damit das Grundwissen: auch der andere steht und fällt letztlich vor Gott. Es geht um die Zwischendinge, es geht um unterschiedliche Glaubenspraxis, es geht um die Umsetzung des grundsätzlichen Glaubens in die kleine Münze des Alltags – und darin ist jeder frei, das in weiter oder in begrenzender, in umsichtiger oder lockerer Weise zu tun.

Somit ist dieses Wort auch eine große Hilfe, dass wir uns nicht in Nebensächlichkeiten verzetteln. Wieviel Streit, wieviel Auseinandersetzung um Dinge, die zwar gestaltend, aber nicht grundsätzlich sind. Gönnen wir uns und unseren Mitglaubenden die Freiheit, die Gott uns gönnt, unseren Glauben individuell und sehr persönlich zu leben. Umsichtig in diesem Zusammenhang heißt aber auch ganz klar, zu entscheiden was Grundlage und was Stil ist. Wenn wir in der Grundlage – in dem was Böse und Zerstörerisch ist – sagen würden, wir sollen ja nicht richten, würden wir unserer Verantwortung nicht gerecht. Unsere Entschiedenheit gegen Böses, Zerstörerisches, Gottloses bei uns und anderen wird auch in diesem Gericht nachgefragt werden. Hier geht es um die zweiten und dritten Dinge, in der jeder die Freiheit hat, zu entscheiden und zu leben wir er es vor Got für sich verantworten kann. Wir sind verantwortlich für uns selber und für unsere Nächsten. Wir sind verantwortlich für die Entscheidung zwischen Gut und Böse. Wir sind verantwortlich, dem Anderen die nötige Freiheit zu lassen und wir sind verantwortlich, unser Leben in Fülle zu leben, aber nicht zu meinen, wir müßten die Angelegenheiten, die Gott sich vorbehalten hat, auch nocht zu regeln. Wir sind verantwortlich – das ist schön, weil Gott es uns zutraut, weil es ein Weg zu überzeugendem Leben ist, weil es von untragbaren Lasten befreit und weil es geistlich Gutes Miteinander baut. Amen

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