In einem Bächlein helle

Br. Paidoios – Predigt – 1.Johannes 4, 16b – 21

 

In einem Bächlein helle, da schoss in froher Eil, die launische Forelle vorüber wie ein Pfeil. Ich stand an dem Gestade und sah mit süßer Ruh, des muntern Fischleins Bade in klaren Wasser zu.

So beginnt ein Gedicht und ein vertontes Kunstlied. Und so will ich versuchen, den Text zu fassen und uns allen miteinander nahe zu bringen. Im Bild eines Baches.

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1. Die Quelle

„Gott ist Liebe und wer in dieser Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Wir lieben Gott, weil Gott uns zuerst geliebt hat.“

Die Quelle eines Flusses ist nicht der kleine, unbedeutende Anfang irgendwo im Versteckten, der nach wenigen Metern seine Bedeutung verloren hat, sondern genau das Gegenteil. Die Quelle, das ist das was den Fluss ausmacht, von der der Bach lebt, auf die er lebensnotwendig angewiesen ist. Wenn die Quelle versiegt, stirbt der Fluss. Und dass eine Quelle auch noch im heißesten Sommer Wasser ausschüttet, ist die Lebensqualität des Baches. Die Quelle aller Liebe heißt und ist Gott. Liebe ist nichts Produzierbares, sondern etwas Abhängiges. Liebe ist nicht machbar, sondern lebt aus einer tiefen, unerschöpflichen Quelle, die nicht müde wird, zu sprudeln. In Gott hat die Liebe ihren Ursprung. Gott liebt – oder besser gesagt: Gott ist Liebe.

Das ist überall sichtbar. Gott will nicht mit sich allein sein. Es ist ein fester Entschluss Gottes, dass er sein Leben und alles was er ist – und damit auch seine Liebe – mit uns Menschen teilt. Er schafft als Schöpfer sich im Menschen ein Gegenüber, etwas das er lieb haben kann und darf und in seinem Schenken und Geben gibt Gott sich immer selbst. Der Mensch an sich – jeder – ich und Du – ist reichlich von Gottes Liebe überschüttet, ist täglich hinein getaucht in die Fülle der Liebe. Unser Leben und jegliches Handeln ist davon bestimmt, dass die Quelle, die unversiegbare Quelle der Liebe Gottes tagtäglich sprudelt. Diese Gottesquelle der Liebe ist unserem menschlichen Dasein und unserer Liebe immer voraus, immer vorher da und diese Quelle der göttlichen Liebe ist so stark, dass sie sich durch unser Nicht-lieben nicht beirren lässt. Auch wo wir falsch leben, denken oder handeln sprudelt die Gottesliebe als lebendige Quelle in uns.

Das ist grandios, unfassbar. Das ist die Grundlage allem was noch folgt. Das ist Grund zum Staunen, Grund zum Danken und Grund sich darauf zu verlassen. Die Quelle der göttlichen Liebe fließt unablässig und unabhängig von den Umständen. Es wäre allerdings ein Missverständnis, aus Gott einen immer liebenden und damit harmlosen, zu allem „ja und Amen-sagenden,“ guten Großvater zu machen. Gott liebt nicht, weil er muss, Gott liebt, weil er will und Gottes Liebe ist echt, sie will das Leben. Gottes Liebe ist keine Zuckerwatte, die alles mit einem klebrigen, süßen und zähen Belag überdeckt. Weil die Liebe Gottes Eigentlich ist, deshalb kann sie auch zürnen, deshalb kann sie auch hart sein, deshalb kann sie drängen, anstoßen, mitreißen und aufschrecken. Gottes Liebe ist kein sanftes Ruhekissen, das uns in Trägheit verfallen lässt, sondern anspornt, das Leben mit beiden Händen zu ergreifen. Die göttliche Liebe hat – wie ein Fluss – landschafts- und menschenverändernde Kraft und Absicht in sich.
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2. Das Ufer

„Wenn Gottes Liebe uns ganz erfüllt, können wir dem Tag des Gerichts voller Zuversicht entgegen gehen, denn wir leben in dieser Welt so wie Christus es getan hat. Wirkliche  Liebe ist frei von Angst. Ja, wenn die Liebe uns ganz erfüllt, vertreibt sie sogar die Angst. Wer sich also fürchtet und vor der Strafe zittert, der kennt wirkliche Liebe noch nicht.“

Im lebendigen Wasser ist Leben und am Ufer eines Baches, der kontinuierlich fließt, ist Wachstum und Gedeihen. Selbst die Wüste würde zum Blühen kommen, wenn ein Fluss durch sie fließen würde. Der Mensch, der also aus der göttlichen Liebesquelle lebt, beständig von Gottes Liebe versorgt, umschlossen und übergossen wird, muss und wird sich verändern, muss und wird anders leben. Der Fluss, der um seine Quelle weiß, muss keine Angst vor dem Versiegen haben. Der Fluss, der eine reiche Quelle als Ursprung hat, wird keinen armseligen Verlauf haben. Wer in der letzten Tiefe erfahren hat, dass Gott ihn liebt, der wird mit seiner Lebens- und Schicksalsangst anders umgehen. Gottes Liebe begegnet unserer Sorge, dass wir das große Ereignis des Lebens verspielen und verlieren könnten. Gottes Liebe will unserer großen Sorge begegnen, dass ER uns in unserer Begrenzung fallen lässt. Die ständig fließende Gottesquelle der Liebe macht ein menschliches endgültiges Scheitern unmöglich.

Die sich immer noch meldenden Ängste unseres Lebens, die Todeserscheinungen, die Hoffnungslosigkeiten und Resignation, die Sorge um das was noch kommt, die uns völlig beherrscht – all das sind Zeichen wie wenig wir von der Liebe Gottes begriffen haben, wie gering unser Vertrauen ist, dass die göttliche Quelle unablässig fließt. Letzte Hilfe in all dem geschieht nur in der Konzentration auf’s Eigentliche: Im Vertrauen und sich Einbergen in der immer währenden Liebe Gottes; im kontinuierlichen Üben, Lernen und Schauen, dass die göttliche Quelle fließt. Die Lösung heißt nicht weniger menschliche Schwäche, sondern mehr göttliche Kraft. Wunschlos wird nicht wer seine Ängste abbaut oder besiegt mit viel Mühen, sondern der der immer mehr entdeckt, dass er sich getragen und gehalten weis von einer Macht, die weit größer ist als Furcht, Sünde, Scheitern und Katastrophen.

3. Das Mühlrad

„Sollte nun jemand behaupten, ich liebe Gott und dabei seinen Bruder oder seine Schwester hassen, dann ist er ein Lügner. Wenn er schon seine Geschwister nicht liebt, die er sehen kann, wie will er dann Gott lieben, den er nicht sieht.“

Die Bruderliebe ist der Ernstfall dafür wie stark die göttlichen Quellkräfte in uns fließen. Ein Mühlrad, das man in einen Bach setzt, wird sich drehen und der Bach wird nach dem gedrehten Mühlrad nichts von seiner Energie verloren haben.

Das ist schon ein heißes Stück, was der Johannes hier macht, indem er Gottesliebe und Menschenliebe gleich setzt. Gott lässt sich einfacher lieben als der Mensch, weil Gott gut ist und auch unsere begrenzte Liebe akzeptiert und annimmt, so wie sie gemeint ist. Das ist bei Menschen schwieriger, denn der, den wir lieben sollen, ist ja – zugegeben – manchmal schwer zu verkraften und manchmal wirklich im Unrecht. Gott kann ich unbegrenzt lieben und so wie mir’s um’s Herz ist. Die Bruderliebe, wo sie echt ist, ist schwieriger. Ich muss mir überlegen, ob barmherzige Zuwendung oder liebevolle Zurechtweisung ansteht, ob gewähren lassen und tragen in Geduld ansteht oder habhaftes Eingreifen und Stoppzeichen setzen. All das ist zum rechten Zeitpunkt rechte Liebe. Um das Mühlrad der Bruderliebe zu treiben, muss ich mich anstauen lassen, in Kanäle zwängen lassen, meinen ursprünglichen Weg verändern, nur dass das Mühlrad getrieben ist. Wir wissen es schon aus eigener Erfahrung und wir sehen es an den Herausforderungen: aus eigener Kraft ist solches nicht möglich. Nur im Vertrauen auf die Kraft der Quelle, nur im Vertrauen dass immer genügend Wasser und Nachschub und Liebe von Gott her kommt, können wir solche Situationen anfangsweise bewältigen. Nur wenn ich in Gott gut aufgehoben bin, habe ich die Hände frei für die Lasten und Grenzen des Bruders. Das ist stark, das ist schön, das ist eigentlich. Gottes Liebesquelle ist unausschöpfbar. Sie fließt mit ganzer Macht und Stärke auf uns zu und ist immer größer und weiter als unser Mangel. Unser Handeln ist nicht in erster Linie unser Mühen, sondern ein überfließen lassen dessen, was von Gott kommt. Deshalb leben wir nicht problembewusst, sondern kraftbewusst.

Was an den Ufern unseres Lebensbaches geschieht, hat nicht die eigentliche und prägende Kraft. Das Wichtigste ist, dass wir gut angeschlossen und gut versorgt von Gott sind. Aus dieser Erfahrung heraus lasst uns denken, leben, lieben und handeln. Amen.

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