Zu groß für uns

Predigt -Br. Markus- Römer 11, 33-36

Wie groß ist doch Gott! Wie unendlich sein Reichtum, seine Weisheit, wie tief seine Gedanken. Wie unbegreiflich für uns seine Entscheidungen und seine Pläne!   Denn «wer könnte jemals Gottes Absichten erkennen? Wer könnte ihm raten?»  Denn alles, aber auch wirklich alles ist von ihm, dem Schöpfer, ausgegangen, besteht durch ihn, und er wird alles vollenden. Ihm gehören Lob und Ehre in alle Ewigkeit.

Zu groß für uns

Bei meiner alten Jeans ist es eher umgekehrt. Die ist irgendwie kleiner geworden in all den Jahren. Weiß wirklich nicht, woran’s liegt. Das ist keine Frage des Bauchgefühls. Gestern war noch alles gut – und plötzlich passt man nicht mehr rein in so ’ne blöde Hose. Das wär’ ja ’ne echte Marktlücke – ne Hose, die mit wächst mit der Herausforderung, die sich ihr mit den Jahren stellt. Da fehlt aber der Textilbranche derzeit die Innovationskraft. Wie auch immer – es gibt Fälle, wo’s nicht passt. Bei Klamotten oder Schuhen ist die Sache noch einfach. Schwierig wird’s bei den großen Fragen des Lebens, dem Rätsel des Daseins schlechthin.

Warum? Wozu? Weshalb? Warum gerade ich? Wozu das alles? Weshalb nicht ein andermal? Es geht um Gott – Gott, der nicht hineinpasst in unsere ganz normale, gedachte wie gefühlte und gewollte Welt. Er sprengt die Naht in allem, was er ist und hat – nicht erst seit heute morgen, sondern immer schon. Allein im Glauben gelingt es uns, das passende Format zu finden, das Gott tragen kann, das ihm steht, ihn schick macht. Im Glauben nähern wir uns an.

Deshalb glauben wir

 

1. Vernünftiger

„Wer könnte Gottes Absichten erkennen, wer hätte ihm jemals etwas gegeben …unendlich, tief, unbegreiflich ist ER.“

Gottes Format ist angefragt. „Ich bin ein Gegner der Religion“ schreibt angesagte Bestsellerautor Duftawkins. „Religion lehrt uns, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen.“ Genau hier liegt das große Missverständnis – in der Formatfrage Gottes. Gott ist groß – größer als wir. Jedenfalls größer, als der Rahmen unserer Vernunft, der Rahmen unserer Rechenmodelle, Theorien und Hypothesen.  Der Versuch, Gott zu verstehen, ist genauso zum Scheitern verurteilt, wie der Versuch, ein Ölgemälde ins Poesiealbum einzukleben. Das Format passt nicht. Es geht nicht um einen billigen Trick der Kirche, sondern schlicht darum, den Tatsachen ins Auge zu schauen. Nur ein vernünftiger Mensch kann einsehen, dass Gott größer ist. Nur ein vernünftiger Mensch kann seine eigene Grenze akzeptieren. Nur ein vernünftiger Mensch kann glauben. Gott ist größer. Es braucht sehr viel Vernunft, um einzusehen, dass Gott nicht der Sklave, sondern der Schöpfer unseres Gehirns ist und somit der Designer jeglicher Art von Intelligenz. Deshalb überragt er den Rahmen unserer irdischen Mathematik. Wenn bei uns auf der Erde 2+2 vier ergibt, muss der glaubende Mensch für möglich halten, dass unter Umständen 2+2 fünf oder auch acht ergeben kann.

Das ist eine Frage der Vernunft. Jeder vernünftige Naturwissenschaftler kann bestätigen, dass die Natur nicht immer logisch ist, dass der Mensch lediglich versuchen kann, den Geheimnissen der Natur auf die Spur zu kommen, zu sie erforschen. Wir alle wissen doch nicht wirklich, ob die Gravitation die Form des Raums verändert oder nicht, ob die Teilchen mit Licht oder über Lichtgeschwindigkeit fliegen und ob die Unendlichkeit, die sich bei einem Universum von der Größe Null ergibt, die Wahrheit ist oder nicht. Vielleicht liegt die Lichtenergie ja auch in einer anderen Art von Teilchenform vor – wer weiß das schon. „Schau doch die Sterne an – kannst du sie zählen? nennt die Bibel diesen Effekt schon vor tausenden Jahren. Wer von uns weiß, woher der Wind morgen weht – oder verlassen wir uns da auf computergestützte Rechenmodelle, wie beim letzten Vulkanausbruch?

Was ist da noch vernünftig? Es gibt Radiostationen, die melden eine Tagestemperatur von 20° C in Metzingen, obwohl es nur 15° C warm ist, weil der Computer 20° C für Metzingen errechnet hat. Wer also schuf die Voraussetzung für die Existenz von Planeten wie unsere Erde und von Lebewesen wie uns? Eine Sekunde nach dem Urknall sei das Universum soweit expandiert, dass seine Temperatur auf zehn Milliarden Grad gefallen war – behaupten ernst zu nehmende Physiker. Ganz schön heiß! Wer von uns könnte das nachmessen! Es braucht Vernunft, Vernunft des Glaubens, um zu erkennen, dass es Fragen gibt, auf die nicht einmal der Wind eine Antwort weiß.

Deshalb glauben wir

2. Logischer

Der christliche Glaube ist und war nie spekulativ, kein rosa Bauchgefühl oder fromme Vermutung. Er ist absolut logisch darin, dass er anerkennt, dass Gott größer ist als wir und unsere Gedanken. Es wird immer Fragen geben, die ein Leben lang offen bleiben. Nicht einmal, wenn man alle Wissenschaftler der Welt zusammenrufen würde, könnte man erklären, warum es ständig widersprüchliche Theorien darüber gibt, wie das Weltall funktioniert und überhaupt. Groß, viel zu groß – die christliche Kirche bleibt dabei aber nicht stehen. Eben das wäre falsch, wollte man behaupten, dass wir zufrieden damit sind, keine Antwort zu wissen. Wir wissen sehr wohl eine Antwort. Unsere Antwort, auch auf die ungelösten Fragen, die uns das Dasein aufgibt, ist der Glaube selbst. Unser Glaube beginnt genau da, wo unser Verstand aufhört zu fassen, wo unser normales Denken in die Sackgasse fährt. Am Schlagbaum der Vernunft beginnt die unendliche Straße in die Freiheit göttlicher Möglichkeiten. Das ist pure Glaubenslogik, dass es Glauben braucht. Mit Vernunft allein ist die Welt auch ohne Gott nicht erklärbar. Zu viele sinnlose Kriege werden gekämpft, zu viele Menschen verhungern, zu viele Widersprüche tun sich auf.

Warum wird aus der einen Blumenzwiebel eine rote und aus der anderen eine gelbe Tulpe, Osterglocke oder Hyazinthe? Warum stirbt ein Walfisch, wenn er auf dem Trockenen liegt, wo wir doch durch die Evolution alle aus dem Wasser zum Menschen geworden sind? Warum wird die Theorie vom schaffenden Gott im EU-Unterricht verboten, wenn man sich sicher ist, dass es ein Irrtum ist? Die Geschichte der Wissenschaft ist wie die Geschichte der Kirche nie frei von Irrtümern. Wer also wollte von sich behaupten, alles wissen und erklären zu können?

Wir glauben logischer. Unsere Schlussfolgerung des Glaubens heißt „staunen“, im Staunen versuchen, zu verstehen, aber auch, respektieren zu lernen, dass es Geheimnisse gibt, die bleiben. Nur ein Staunender bleibt in Bewegung. Nur der Staunende hält für möglich, dass vielleicht die nächste Generation erklären kann, was heute noch verschlossen ist. Selbst wer alles weiß, wird nie verstehen, warum Menschen sich mögen oder hassen, verlieben oder bekriegen. Neben der Wahrscheinlichkeitsrechnung steht immer die Wirklichkeit, und die fühlt sich an wie das richtige Leben – voller Überraschungen. Gott ist größer als wir, größer als Mensch fassen kann. Seine Barmherzigkeit ist überraschend groß. Die Logik von Sünde wäre Verdammnis.

Leben in Christus ist aber Wirklichkeit. Eucharistie lässt sich nur staunend feiern, nicht in kleinkarierter Selbstgerechtigkeit. Die Logik unseres Glaubens führt uns zum Staunen über Gott. Es konnte keiner wissen, dass Gott uns vergibt.

In der Begegnung mit ihm wird unser Glaube

3. Respektvoller

„Wie groß ist doch Gott, wie unendlich sein Reichtum, seine  Weisheit, wie tief seine Gedanken. Alles kommt von ihm, alles lebt durch ihn, alles vollendet sich in ihm.“

In der Anbetung findet unser Staunen Ausdruck. Die Wirklichkeit Gottes ist offenbar. Unsere Ahnung findet Form, unfassbares wird fassbar. Das, was zu groß für uns ist, findet in der Anbetung den passenden Rahmen. Der Blick aus dem Fenster unserer Begrenzungen wird zum Blick in die weite Wirklichkeit Gottes. Anbetung ist ein Lebensstil. Respektvoller Umgang mit Gott ist weder traditionsverkrusteter, theoretischer Vollzug noch schnelles Gefühl im Augenblick. Anbetung ist gewachsene Überzeugung. Sie entspringt tief in mir in der Begegnung mit dem lebendigen Gott und seiner Größe. Die Anbetung enthebt nicht dem Alltagsgrau, aber sie zeigt im grauen Alltag göttliche Farbe. Weil unsere Anbetung aus dem Staunen entsteht, ist sie eben nicht Flucht aus dem Alltag, sondern die Krone des Daseins, gerade im Kampf um Orientierung und Antwort auf der Suche nach dem richtigen Weg. Ohne tiefen Respekt, ohne Staunen über Gottes Format kann keine echte Anbetung sein. Sie sitzt tief verwurzelt im Alltag als Bestandteil einer Person – weniger als religiöses Sonntagsgefühl, auch wenn man sonntags feiern kann. Stinknormale Arbeit kann Ausdruck meines Staunens über Gott sein.

Anbetung spricht ihre eigene Sprache, wie Gott in seiner Schöpfung seine eigene Sprache spricht, die Sprache der Liebe. Gott erfasst uns. Er ist größer als wir. Diese Erfahrung engt uns nicht ein, sie befreit. Sie führt in die Vollendungskraft Gottes. Wir müssen die Welt nicht erklären. Sie erklärt sich in Gott. Er kennt den Sinn. Gott überwindet, Gott findet, Gott bindet. Das gibt den Sinn.

Entdecken wir uns neu in dieser Barmherzigkeit. Darin wird jedem klar, dass sie unerklärlich ist und bleiben wird, dass es gut ist, dass er viel größer ist als wir.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert