Nach eins kommt zwei

Epheser 5, 1-8  Predigt: Br. Markus

Auf dem Bau wird das als Ausrede benutzt – dann, wenn der Klempner mal wieder nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Man muss aber nicht als Sanitärinstallateur geboren sein, um die goldene Handwerksregel zu verstehen. Nach eins kommt zwei – das ist doch klar, klar wie Kloßbrühe. Keiner von uns kann ein Waschbecken an die Wand schrauben, die noch gar nicht gemauert ist. Ebenso wenig gelingt es, eine Dachrinne anzubringen, wo noch kein Dachstuhl aufgerichtet ist. Zwei kommt nach der eins. Auf dem Bau hat alles eine feste Reihenfolge. Zuerst kommt das Fundament, dann die Mauer, dann das Dach. Niemand kann am Dach anfangen, ohne zuvor ein Fundament gegossen zu haben – es sei denn, er verfügt über die sagenumwobenen Siemens-Luft-Haken.

Auch der christliche Glaube soll nicht in die Luft geschraubt, sondern solide von unten aufgebaut sein – nach dem alten Handwerkerprinzip

1. Zuerst gibt Gott

Auf Platz 1 im Leben von uns Christen steht nicht der erhobene Zeigefinger. An erster Stelle steht nicht das rot umrandete Du-darfst-nicht-und-du-sollst-nicht-und-du-kannst-nicht. Die erste Ursache des Glaubens ist nicht die moralische Vollkommenheit, sondern der schenkende Gott. Am Anfang steht nicht der Forderer und Überforderer der Menschen, sondern der Geber und Macher. Im Anfang steht die Liebe Gottes. Diese geballte Sympathie ist das Fundament, das alles trägt. Sie eröffnet die romantische Baustelle. Sympathie ist das Vorspiel zu unserem Leben. Sympathie ist die erste Ursache unseres Seins, unseres Glaubens. Sympathie allein!

Gott ist die große Eins, die mit mathematischer Präzision vor der Zwei steht, unverrückbar steht und dort stehen bleibt. Zu Beginn steht erst mal eine Vaterfigur, die uns verursacht hat, die Idee, die Planung und der Sinn. Gott ist zuerst – wir sind dann. Er ist der Vater, wir sind nur Kind. Vor unserem ersten Auftritt war er schon da. ER ist es, der vorausgeht, wir folgen hintendrein. Gott ist es, der die Materie zum Leben erweckt, der ins leere Weltall die Schöpfungsworte spricht, Licht macht, damit Himmel und Erde werden und wachsen kann. Zuerst ist ER, zuerst ist Licht. ER ist der Auftakt, damit Weltgeschichte geschieht und geschehen kann. ER ist das Vorspiel zu dem unendlichen Lied, das gesungen wird, solange die Erde sich drehen kann.

Zuerst ist Gott. Und Gott gibt. Weil er liebt. Liebe. Damit die Welt besser lieben kann. Seine Zuneigung macht den Anfang. Sie dringt zu uns vor – an unser Herz, in unser Denken und unser Fühlen. Sie dringt zu uns Menschen, zu den Wesen, die man so schwer erreichen kann. Gott gründet was Neues. So, wie er die Welt im All gegründet hat, gründet er auf diesem Planet Sympathie. Gott macht den Anfang im Aufeinander-Zugehen. Er will der Erste sein, der die Hand ausstreckt. Der Sich-Zuwendende und Uns-anschauende Gott will er sein. Er will verbinden, was zerbrochen ist. ER will, dass zusammenwächst, was zusammen gehört. Er will gemeinsam sein mit dem was geschaffen ist und geschieht, mit uns Menschen sein. Gott bekennt seine Vaterschaft an dieser Welt. Er läuft nicht von ihr davon, wie die Welt von ihm wegstrebt. Er will zusammenführen, alles, was geschieht, einbinden in sein Konzept, das die Erde trägt. Gott startet durch. ER macht den Anfang, weil er mich liebt, so, wie ich bin. Er ist zuerst – nicht ich, der ich nur schattenhaft versuchen kann, mich liebenswert zu leben. Gott liebt mich, wie nur ER lieben kann, ohne Grund und gegen den Schein. ER allein kennt den Kern meines Lebens, die vielen Möglichkeiten, die in mir schlummern, zum Guten wie auch zum Bösen erwachen können. Gottes Liebe legt meine Möglichkeiten frei, die großen Chancen, die ohne ihn nur verkümmern müssten. Gottes Ja zu mir macht mich frei – so frei, wie ein Mensch ohne Gott nie sein kann. Er befreit zum Wachstum in seinem Sinn. Gott traut uns zu, dass wir zu dem Haus werden, das er geplant hat – romantische Baustelle. Er sieht in uns die Möglichkeit, zu einer starken Mauer zu werden, an die man sich lehnen kann oder zum Dach, das dieser Welt Schutz gibt.

Gott ist die erste Idee. Er ist kompletter Plan. Er will, das sich was dreht, trotz uns, mit uns und durch uns. Er ist mehr als ein Muntermacher. Er ist der Mutmacher in Sachen Lebensplan – über alle Kleinherzigkeit hinaus. Gott holt uns aus der Reserve in seinen Plan, der größer ist, als mein Wünschen und Wollen je sein kann. Wir sind geboren, um in Gott Licht zu werden – so hell und frei, wie nur Licht sein kann.

Dieser Plan findet in Jesus Christus konkrete Form. Christus allein ist es, der unsere Dunkelheit ins Licht dreht. Er ist Wirkstoff Gottes in der Dunkelheit der Welt – Wirkstoffsympathie im Hass der Welt.

Zuerst gibt Gott.

2. Dann wirkt Christus

Durch Christus ist es licht und hell in euch geworden … weil ihr Gottes geliebte Kinder seid …

heißt es im Text.

Deshalb ist in Gottes Reich kein Platz für solche, die ein ausschweifendes, schamloses Leben führen oder von Habgier besessen sind.

Christus wirkt. Fromm sein hat Folgen, verpufft nicht im luftleeren Raum. Nach eins kommt zwei. Ein guter Baum muss gute Frucht bringen. Es gibt eine göttliche Mechanik, die in Christus am Rad der Geschichte dreht, spürbar dreht, wirksam dreht – also nicht theoretisch irgendwann mal irgendwie war, sondern heute ist, konkret ist, praktisch wird.

Wir sind in Christus Licht geworden, Licht vom ewigen Licht. Hier geschehen sichtbare Veränderungen aus einer unsichtbaren Welt heraus. Es gibt eine außerirdische Sittenlehre, die in unserem Tagesgeschäft ganz praktisch werden will. Diese Sittenlehre hat nichts mit jener verstaubten Moral aus längst vergangenen Zeiten zu tun, die dem Mensch einfach aufs Auge gedrückt wurde. Sie ist Lebenszeichen des Glaubenden, formt sich zu dem, was Gott angenehm ist. Es ist eine ganz eigene Qualität des Menschseins in Christus. Wir sind von Sünde befreit, nicht von Moral überfrachtet. Es geht um eine Andersartigkeit des Glaubenden, der darin anders ist als die Welt, die ihn umgibt, dass er sich in Gott aufgehoben weiß. Es geht nicht um die kleinliche „Pass auf, kleine Hand, was du tust“ – Mentalität.

Christus bringt eine neue Welt. Das verformt unser Lieben, unser Haben und unser Reden. Gott liebt in Christus diese Welt ins Licht. Im Licht, in Christus, entsteht die neue Art zu denken und zu lieben, die Gott-geprägte Art, die liebevolle Art. In Christus gelingt es, besser zu lieben, als wir uns lieben können. In Christus müssen wir nicht mehr lieben, um die Hohlräume und Leere unseres Herzens aufzufüllen. Wir lieben aus der Fülle göttlicher Zuneigung in die Leere unserer Herzen hinein. Das formt den Stil. Das limitiert und befreit gleichzeitig. Liebe Gottes grenzt aus. Liebe Gottes grenzt ein, was zu tun und zu lassen ist. Es geht hier nicht um gut bürgerliche Verhaltensmaßregeln, die wie automatisch zum Maßstab der Glaubenden geworden sind oder umgedreht. Wer in Christus liebt, dem wird kompromisslos klar, dass man nicht lieben kann, ohne wirklich zu lieben.

Liebe in Christus ist ganzheitlich, tiefgründig, ernsthaft, heilig. Diese außerirdische Sitte will und muss der Maßstab aller in Christus Liebenden sein. In ihr findet der Heilungsprozess des Menschen statt. Die Spuren von Neuschöpfung werden sichtbar. Was wir tun oder lassen, findet in Gottes Sympathie ganz klare Abgrenzung. So reichhaltig sie ist, kann sie niemals ausschweifend sein. So schön es ist, auf den Flügeln der Fantasie ins grenzenlose All zu schweben, so klar muss es sein, dass es nicht Gottes Plan ist, wenn wir in der Fülle von Möglichkeiten zerfließen. So viele Gedanken und Worte können ausschweifend sein, kein Ziel finden oder das verkehrte. So viele üble Gerüchte sind schon entstanden nur durch ein einziges, ausschweifendes Wort, am falschen Platz gesprochen. So viel Neid und Eifersucht, wenn die Gedanken unbegrenzt in die falsche Richtung schweifen. Wer sich selber freilässt, entschwebt schnell ganz. Ein Drachen ohne Halteleine, ohne Schnur, entschwindet in den Himmel, um früher oder später abzustürzen. Wir sind hier nicht beim Luftballonwettbewerb, wo alles Losgelassene irgendwann irgendwo runterplumst, wenn die Luft raus ist.

Ohne Grenze, ohne Limit, kann ein Christ nicht sein. Wir sind in den Reichtum der Schöpfung geboren, um maßvoll und gut ausgesteuert damit umzugehen. Zuneigung Gottes in Christus ist unser Limit. Haben, als hätte man nicht heißt auch, durch Christus nicht alles haben müssen. Es ist Zeit, an unser Wohlstandsdenken den Maßstab anzulegen. Es ist Zeit, zu hinterfragen.

Hinterfragen wir uns. Hinterfragen wir unseren Lebensanspruch. Hinterfragen wir unseren Wohlstand. Hinterfragen wir unsere Sparsamkeit. Hinterfragen wir unser Lieben, Reden und Haben. Gott wirkt in unser Leben ein. Das ist der erste Schritt.

So muss unser zweiter Schritt nur sein, Christus wirken zu lassen. Es geht nicht darum, sich selber einzuengen, sondern durch bewusste Begrenzung Gottes Spielraum zu erweitern. Wenn unser Verzicht nicht in der Liebe Gottes ruht, höhlen wir uns selber aus, selbst mit den frömmsten Übungen. Jede Hingabe, die nicht aus Liebe geschieht, überfordert.

Nach eins kommt zwei. Zuerst steht Gott, der uns liebt. Unsere Gabe kann nur Rückgabe sein, Antwort auf den lebendigen Christus, der an uns geschehen ist.

Durch Christus ist es licht und hell in euch geworden.

Das zerbrochene Gottesbild ist wieder heil.  In Christus gelingt der heilsame Verzicht. Christus geht den Weg ans Kreuz. Seine Passion, sein Tod, sein Verzicht ist der erste Schritt. Alle Nachfolge, die geschieht, kann nur so etwas wie ein kleiner Schatten sein vom großen Verzicht Gottes auf sein Recht an dieser Welt. Je größer das Christusbild in uns wird, umso leichter fällt unserer, der zweite Schritt. Amen.

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