Hebräer 4, 14-16; Predigt: Br. Paidoios
Thema „geklaut“ bei Rilke, weil es so schön passt.
Begleitung ist angesagt. Trauerbegleitung, Berufs-einstiegsbegleitung, Begleitung von Flüchtlingen in ihrem neuen Lebensumfeld, geistliche Begleitung. Rilke trifft mit seiner poetischen Aussage den tiefen Kern, denn echte Begleitung ist nicht nur da sein, wissen und Erfahrung weiter geben, Technik. Echte Begleitung ist hilfreiche, erweiternde Weggemeinschaft. Es gibt Hilfe, es gibt Lösungen und bei bleibenden Problemen doch einen Weg, der beschritten werden kann.
1. Verstanden
In Jesus Christus haben wir einen Hohenpriester, der vor Gott für uns eintritt. Er gehört nicht zu denen, die unsere Schwäche nicht verstehen und zu keinem Mitleiden fähig sind. Viele Menschen sagen, dass sie allein und unverstanden durchs Leben gehen müssen und manches Schicksal ist wahrlich hart. Einer aber ist in der tiefsten Einsamkeit immer und doch dabei – Jesus Christus. Er ist dabei in seiner unnachahmlichen Art. ER, Jesus, steht dafür, dass wir Menschen in allen Situationen bei Gott verstanden sind. Dieses Verstehen ist nicht Theorie und reden wie ein Blinder von der Farbe. Es ist zutiefst Verständnis aus eigener Erfahrung. Gott lächelt nicht im fernen Himmel und sagt: „ich versteh’ dich schon“, sondern ER ging in Jesus Christus selber über die Erde. Gott kennt die Grenzen des Mensch seins: Müdigkeit, missverstanden werden, Ablehnung, Tränen, Schmerzen. Ja selbst die Todeserfahrung lässt dieser Jesus Christus nicht aus, um den Menschen verstehend nahe zu sein.
Halten wir fest: Wir, jeder Einzelne, ist bei Gott in der Tiefe erfasst und verstanden. Nicht versagen, nicht Schuldgefühle, nicht die leise Angst, Gott nicht genügen zu können, zählt sondern dass Gott ganz bewusst sagt: ich bin einen Weg, Mensch, dir voraus gegangen und gehe ihn jetzt mit. Ich überfordere nicht, ich schüttele nicht missbilligend den Kopf.
Ich Gott, verstehe Dich!
2. Erfahren
Doch er gehört nicht zu denen, die unsere Schwäche nicht verstehen und zu keinem Mitleiden fähig sind. Jesus Christus musste mit denselben Versuchungen kämpfen wie wir. Doch im Gegensatz zu uns hat er nie gesündigt. ER ist der Hohepriester, der vor Gott für uns eintritt. Das Verstehen Gottes wird gespeist aus eigener Erfahrung. Das ist das tiefste Verstehen, das es gibt.
Jesus weiß, wie sich Mensch sein anfühlt. Jesus weiß, wie sich Anfechtung anfühlt. Jesus weiß, wie dunkel die Nächte sein können. Jesus weiß auch welchen Kräften der Mensch ausgesetzt wird.
Und aus dieser eigenen Erfahrung ist und bleibt er ein barmherziger Gott. Mir wird immer ein bisschen unheimlich, wenn fromme Menschen über menschliche Veranlagungen und Entscheidungen so hart, so rücksichtslos, so absolut urteilen – oft genug voller Theorie. Man möchte sie fragen: wie würdest du denn handeln? Hast du überhaupt solch eine Situation dir einmal vorgestellt? Weißt du Mächte, die Menschen erfassen und beherrschen können? Ich gehöre nicht zu denen, die sagen „wir sind allzumal Sünder“, deshalb lass das einfach nur laufen. Aber was wir selber brauchen, dürfen wir anderen nicht verweigern.
Gibt es mildernde Umstände? Ist jede Situation wirklich gleich?
Jesus hat als Barmherzigen Samariter den unter die Räuber Gefallenen keine Vorträge gehalten über Sicherheit und Schutzmaßnahmen und er hat ihm keine Vorhaltungen gemacht, wie leichtfertig es sei, solche gefährlichen Wege zu gehen, sondern ER hat Wunden verbunden, aufgehoben und für Zukunft gesorgt. Der Gott mit der eigenen Leiderfahrung ist uns nahe und will uns in diesem Sinn den anderen Leiderfahrenen nahe machen.
3. Beschenkt
ER tritt für uns ein. ER wird uns seine Barmherzigkeit und Gnade zuwenden, wenn wir seine Hilfe brauchen. Vor Gott sind wir immer Beschenkte und das größte Geschenk, das er macht, ist seine Barmherzigkeit und Gnade. Jesus Christus nimmt Schuld ernst, aber er rechnet ein, dass allein mit gesetzlichen Vorlagen das Problem nicht zu lösen gilt. ER beschenkt uns mit Gnade, indem er sich selber opfert am Kreuz. Auch darin sind wir niemals allein, weil Jesus Christus immer bei uns ist und wann immer ein Urteil fällt und ein Problem auftaucht, sagt Jesus Christus: „Halt ich bin auch noch da für diesen Mann, für diese Frau, stehe ich mit meiner ganzen Existenz. Was diesem Menschen geschieht, geschieht auch mir. Was dieser Mensch versäumt hat oder wo er gefehlt hat, dafür stehe ich gerade.“
So wird Christus selber – so sagt es die Bibel und so ist es richtig – der große Weltenrichter sein. Niemals wird Gott zum Bösen „ja“ sagen und es kann vor Gott nicht durchgehen, dass die, die bewusst zerstören, die Menschenwürde schinden und willentlich das Böse fördern, dafür ohne Verantwortung abzulegen davon kommen. Aber was in keinem Prozess geschieht, das geht bei Gott: Für die, die auf IHN vertrauen, ist Christus Richter und Anwalt gleichzeitig.In Jesus Christus tritt Gott gegen die berechtigten Forderungen an. Der Schatz der Gnade – unfasslich und so wertvoll.
4. Bewirkt
Lasst uns also unerschütterlich an unserem Bekenntnis zu Jesus Christus fest halten. Wir dürfen mit Zuversicht und ohne Angst zu Gott kommen. Das Begleiten, Beschenken und menschennahe Wesen Christi wirkt sich aus. Es wirkt sich aus, indem es uns unsere Angst vor Gott nimmt, weil wir in Christus jeden Tag neu die menschenfreundliche Art Gottes erfahren. Glaubensleben ist befreit von der Gottesangst. Adam und Eva mussten sich nach dem Sündenfall verstecken. Wir dürfen uns Gott, dank Jesus, zuwenden. Auch mit all unserer Blöße und unserer Nacktheit, weil wir wissen Gott wendet sich uns zu. Das Schenken Gottes schafft ein gesundes menschliches Selbstbewusstsein – besser ausgedrückt mit dem Wort Zuversicht.
Weil Christus zu uns steht, können wir zu uns selber stehen. Weil Gott ja zu uns sagt, können wir zur Zukunft ja sagen. Weil Gott uns nicht abschreibt, dürfen wir Hoffnung haben. Und das alles mündet ein in einer Sehnsucht und in einer immer fester werdenden Verwurzelung in Christus. Unerschütterlich festhalten, dass Gott uns täglich begleitet, beschenkt und versteht verknüpft uns jeden Tag neu mit diesem Gott. Weil Gott für uns lebt, fangen wir an unser Leben mit und für IHN zu führen.
Das ist das Geheimnis von Berufung: Festhalten an dem Gott, der mich fest hält. Bekenntnis meint hier nicht nur reden, sondern Lebensstil. Habt keine Angst, jeder ist jeden Tag und in jedem Augenblick gut begleitet von der Freundschaft Gottes.