Volltreffer, oder voll daneben

Sprachtraining mit Uwe Schürmann

Besser ankommen

Da Sprechen zu unserem Tagesgeschäft gehört, in Predigen, Verkaufen, Mitarbeitergesprächen, Schauspielen und mehr, ließen wir von professioneller Seite, auf unsere Stimmen hören. Uwe Schürmann, der Vorsitzende der AAP Deutschlands (Atemrythmisch Angepasste Phonation; http://www.dvaap.de/), war als ausgebildeter Logopäde und Sprecherzieher der richtige Mann, uns in unserer Stillewoche den rechten Ton nahe zubringen. In der ersten großen Runde gab es eine umfassende Einführung, wie Stimme und Klang überhaupt organisch erzeugt wird. Sein anklingendes Fachwissen schaffte schnell eine vertraute Basis, um einzelne konkrete Alltagssituationen auf den Tisch zu bringen. „Meine Stimme ist zu hoch und zu mädchenhaft“ oder „bei mir kommt öfters die Rückmeldung, meine Stimme sei zu leise.“ Kurz und treffsicher legte Uwe Schürmann eine stichhaltige Analyse auf den Tisch, die ein stimmliches Problem, von einer ganz neuen Seite erscheinen lies. Zum Beispiel ist die zu leise empfundene Stimme gar nicht leise, sondern der kraftvolle Schall konnte sich durch eine verengte Kieferstellung nicht richtig entfalten. Somit hieß der korrekte Tipp, nicht lauter sprechen, sondern üben, dass sich der Kiefer entspannter bewegt, der Mund sich etwas mehr öffnet und dadurch der Ton in einem vollen Klang nach außen dringt. Das machte richtig Mut, an sich und seiner Stimme zu arbeiten.
Am Nachmittag ging es im kleinen Kreis, in der Kirche ganz praktisch zur Sache. Die Liturgenbrüder wurden der Reihe nach, mit einer bereits gehaltenen Predigt auf die Kanzel gebeten, um sie nicht einer Gemeinde, sondern einem kritischen Auditorium von haarscharf auf´s  Sprechen achtende Zuhörer vorzutragen.
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Allgemeine, wertvolle Anregungen für die Verkündigung bildeten den Einstieg. Eine Predigt hat durch ihre theologischen Aussagen und inhaltlichen Stoff, so viel Gewicht, dass sie nicht durch sprachliches Engagement noch mehr verstärkt werden muss. Es geht viel mehr um eine Leichtigkeit, die Schweres einfacher fassbar macht. Jegliche Überbetonung in Lautstärke und Tempo, behindert das Ankommen des Gesprochenen beim Zuhörer. Zusätzlich hat das verkündigte Wort, genug Verstärkung, durch den „Standort Kanzel“ und die entsprechende Gewandung.
Wir bearbeiteten u.a. den sogenannten „Kirchenton“, bei dem zu viele Silben eines Satzes betont werden, und dadurch die Sinnerfassung behindert wird. Hierzu sollte der Prediger die Kanzel verlassen,  und seine „Botschaft“ frei formuliert, wie in einem Gespräch, im Kreis der Beteiligten weitergeben. Das gab dem verkündigten Wort eine angenehme Natürlichkeit, die wesentlich überzeugter abgenommen wurde.
Ein gehaltvoller Nachmittag, bei dem wir lernen konnten; Sprechen ist nicht in erster Linie reine Lautbildung, sondern Kommunikation von Sprecher und Zuhörer. Beim Sprechen begleiten wir das Wort hörend, nach Berthold Brecht, wie es beim Zuhörer aufschlägt. Jegliches Arbeiten an der Stimme, ist Arbeiten an der Persönlichkeit. Es war auch die befremdende Erfahrung zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Wir mussten akzeptieren, dass der Zuhörer mich anders wahrnimmt, als ich mich selbst. Das bedeutet, wenn ich mich auf die Kritik meines Zuhörers einstelle, nehme ich mich selbst als „Fremden“ wahr, weil ich spreche, wie ich es nicht von mir gewohnt bin. So eine Neuorientierung hängt dann durchaus mit gewisser Verunsicherung zusammen, die sich lernend auf neuen Wegen vor tastet.
Nicht zuletzt war der Sonntag danach, dann die Feuertaufe für Br. Markus, der die erste Predigt nach dem Training hielt. Hitzige Wellen schlugen nach allen Seiten. Das Empfinden und die Wahrnehmung auf seine ruhigere Sprechweise konnten unterschiedlicher nicht ausfallen.  Bei den einen elektrisierte jedes Wort, durch seine Klarheit und Eindringlichkeit, dass ein hellwaches Zuhören von Anfang bis Schluss möglich war, andere empfanden Trägheit und hatten Mühe zu folgen. Zudem fehlte ihnen das persönliche Feuer, das man sonst von ihm kannte. Das Resümee für diesen ersten Auftritt; von Volltreffer, bis voll daneben. Die Weiterentwicklung wird spannend bleiben.

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