Meditative Betrachtung vom 12.10.2025
Josua 2, 1-21
1 Die Israeliten lagerten zu dieser Zeit in der Gegend von Schittim. Von dort schickte Josua, der Sohn Nuns, heimlich zwei Männer los. Sie sollten das vor ihnen liegende Land auskundschaften, besonders die Stadt Jericho. Die beiden machten sich auf den Weg und erreichten gegen Abend die Stadt. Auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht kamen sie in das Haus einer Prostituierten namens Rahab.
2 Kurz darauf erhielt der König von Jericho die Nachricht: „Heute Abend sind israelitische Männer eingetroffen, die unser Land erkunden sollen. Sie halten sich bei Rahab auf.“
3 Der König schickte sofort Soldaten zu Rahab. Sie befahlen ihr: „Bring die Männer heraus! Sie wollen unser Land auskundschaften.“
4 Rahab aber hatte die beiden Israeliten versteckt und stellte sich ahnungslos: „Ja, diese Männer sind bei mir gewesen. Ich wusste aber nicht, wo sie herkamen.
5 Sie brachen wieder auf, als es dunkel wurde und das Stadttor geschlossen werden sollte. Ich kann nicht sagen, wohin sie gegangen sind. Wenn ihr ihnen schnell nachlauft, holt ihr sie bestimmt ein.“
6 Rahab hatte die Israeliten auf ihr Flachdach gebracht und unter Flachsstängeln versteckt, die dort aufgeschichtet waren.
7 Die Soldaten des Königs nahmen die Verfolgung auf und eilten in Richtung des Jordanübergangs davon. Unmittelbar hinter ihnen wurde das Stadttor geschlossen.
8 Bevor die beiden Israeliten sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen auf das Dach
9 und sagte: „Ich weiß, dass der Herr eurem Volk dieses Land geben wird. Wir haben große Angst. Jeder hier zittert vor euch.
10 Wir haben gehört, dass der Herr euch einen Weg durch das Schilfmeer gebahnt hat, als ihr aus Ägypten gekommen seid. Wir wissen auch, was ihr mit den Amoritern und ihren Königen Sihon und Og auf der anderen Jordanseite gemacht habt: Ihr habt sie ausgelöscht.
11 Als wir das hörten, waren wir vor Angst wie gelähmt. Jeder von uns hat den Mut verloren. Der Herr, euer Gott, ist der wahre Gott oben im Himmel und hier unten auf der Erde.
12 Deshalb flehe ich euch an: Schwört mir jetzt beim Herrn, dass ihr meine Familie und mich verschont, denn ich habe auch euch das Leben gerettet. Bitte gebt mir einen Beweis dafür, dass ich euch vertrauen kann.
13 Lasst meine Eltern und Geschwister und alle ihre Angehörigen am Leben. Rettet uns vor dem Tod!“
14 Die Männer antworteten ihr: „Wenn ihr uns nicht verratet, stehen wir mit unserem Leben dafür ein, dass euch nichts getan wird. Wenn der Herr uns dieses Land gibt, werden wir unser Versprechen einlösen und euch verschonen.“
15 Rahabs Haus lag an der Stadtmauer. So konnte sie die Männer durch eines ihrer Fenster mit einem Seil hinunterlassen, um ihnen zur Flucht zu verhelfen.
16 Sie riet ihnen: „Lauft erst ins Bergland, damit euch die Verfolger nicht finden! Versteckt euch dort drei Tage, bis sie zurückgekehrt sind. Danach geht, wohin ihr wollt.“
17 Die beiden Männer sagten zu ihr: „Der Eid, den wir dir gegeben haben, bindet uns nur unter diesen Bedingungen:
18 Wenn unsere Soldaten hier eintreffen, musst du das rote Seil, an dem du uns jetzt hinablässt, an dein Fenster binden. Und deine Eltern, deine Geschwister und alle Verwandten müssen hier bei dir im Haus sein.
19 Jeder, der nach draußen geht, ist selbst verantwortlich für seinen Tod. Wer aber bei dir im Haus bleibt und trotzdem angegriffen wird, für den stehen wir mit unserem Leben ein.
20 Solltest du uns aber verraten, ist unser Eid ungültig!“
21 „Einverstanden“, antwortete Rahab. Dann half sie ihnen, ins Freie zu gelangen. Als sie fort waren, band Rahab das rote Seil ans Fenster.
Wenn Gott Geschichte schreibt
Seltsame Spionagemethoden und merkwürdige Rettungsaktionen
Uneinnehmbare Mauern und kuriose Strategien
Kleines Volk und großer Gott
Rotes Seil am Hurenhaus,
Spione unterm Flachshaufen
– die Urururgroßmutter Jesu hatte schon eine bewegte Vergangenheit.
Rahab – sie betreibt ein Hurenhaus in der Stadtmauer von Jericho – und bekommt Besuch von zwei israelitischen Kundschaftern, die das erklärte Ziel haben, die Eroberung ihrer Stadt vorzubereiten.
Eigentlich ein Grund, die zwei auf möglichst dezente Weise aus dem Weg zu räumen – wer will denn schon gerne Ziel einer Fremdherrschaft sein!
Rahab sieht das aber anders.
Sie hat gehört von ihm, dem großen Gott der Israeliten, der sein Volk durch`s Meer und durch die Wüste geführt hat,
dem sie gehorchen müssen, die Wassermassen und die Gestirne,
der Brot vom Himmel fallen lassen kann und Quellen in der Wüste sprudeln läßt
der den Giftschlangen gebietet – und dem sicher auch so eine dicke Stadtmauer nicht standhalten wird.
Rahab weiß, daß dieser Gott den Israeliten das Land versprochen hat – und sie weiß, daß er es ihnen auch geben wird – entgegen allem Schein von Heeresgröße und Waffenübermacht, von Steinmauernschutz und sonstigen Sicherheiten.
Dieser Glaube läßt sie handeln.
Als die israelitischen Spione in ihrem Haus gesucht werden, versteckt sie sie. Sie lügt für sie und riskiert ihre eigene Haut.
Sie zeigt ihnen den Weiterweg und bewahrt sie vor der Verfolgung ihrer Häscher.
Aber:
Sie will etwas dafür haben.
Sie will am Leben bleiben, wenn die Mauern ihrer Heimat zerstört werden und alles um sie herum dem Erdboden gleichgemacht wird.
Sie will dazugehören zu dem Volk, dessen Gott größer ist, als sie sich vorstellen kann.
Sie will ihm nahesein, diesem unbekannten Großen, den sie nur ahnen und ersehnen kann.
Das rote Seil ist ihr Rettungszeichen, der Schlüssel zu einer neuen Zugehörigkeit.
Das rote Seil sichert ihr und ihrer Familie das Leben.
Das rote Seil verbindet sie mit dem Volk Israel. So wird sie durch Heirat mit einem Israeliten zur Urururgroßmutter Jesu.
Wenn Gott Geschichte schreibt
wird eine Hure zur Retterin
fallen Mauern durch Trompeten
siegen die Schwachen über die Starken.
Muß man nicht glauben – kann man aber auch heute noch erfahren – im Außergewöhnlichen und im ganz normalen Leben:
Da bauen eine handvoll junger Leute ohne Geld, ohne Fachwissen und ohne Ausbildung ein Millionenprojekt.
Da fällt durch Kerzen und Gebet die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland.
Da ändert sich im ganz normalen Blumenmönchealltag die Wetterkatastrophenprognose für den Samstagsmarkt.
Gott schreibt Geschichte – auch heute noch.
Er schreibt sie mit Menschen, die sich öffnen für sein Wort.
Er schreibt sie über die Grenzen unserer Kraft und unserer Möglichkeiten hinaus.
Er will uns dafür haben.
Er will uns dafür ausrüsten.
Er will an unserer Seite sein.
Er will ihn in uns wecken, den Glauben an seine unendlichen Möglichkeiten, die sie sprengen, die engen Schranken dessen, was wir für durchführbar und denkbar halten.
Geben wir ihm Raum, daß er uns in die Weite seiner großen Taten mitnehmen kann. Amen.