Meditative Betrachtung vom 31.08.2025
Hiob 23
1 Hiob sagte:
2 „Auch heute muss ich bitter klagen, schwer lastet Gottes Hand auf mir, ich kann nur noch stöhnen!
3 Wenn ich doch wüsste, wo ich ihn finden könnte und wie ich zu seinem Thron gelange!
4 Ich würde ihm meinen Fall darlegen und alle Gründe nennen, die zu meinen Gunsten sprechen!
5 Ich wollte wissen, was er mir zur Antwort gibt, und verstehen, was er mir dann sagt.
6 Würde er wohl alle Kraft aufbieten, um mit mir zu streiten? Nein! Er würde mir Beachtung schenken!
7 So könnte ich meine Unschuld beweisen, und Gott würde mich endgültig freisprechen.
8 Doch ich kann ihn nirgends finden! Ich habe ihn im Osten gesucht – er ist nicht dort, und auch im Westen entdecke ich ihn nicht.
9 Wirkt er im Norden, oder wendet er sich zum Süden hin, sehe ich doch keine Spur von ihm; nirgends ist er zu erblicken!
10 Doch er kennt meinen Weg genau; wenn er mich prüfte, wäre ich rein wie Gold.
11 Unbeirrbar bin ich dem Weg gefolgt, den er mir zeigte, niemals bin ich von ihm abgeirrt.
12 Ich habe seine Gebote nicht übertreten; seine Befehle zu beachten war mir wichtiger als das tägliche Brot.
13 Aber Gott allein ist der Herr. Was er sich vornimmt, das tut er auch, und niemand bringt ihn davon ab.
14 So wird er ausführen, was er über mich beschlossen hat; und dieser Plan ist nur einer von vielen, die er bereithält.
15 Darum habe ich Angst vor ihm; wenn ich darüber nachdenke, packt mich die Furcht!
16 Ja, Gott hat mir jeden Mut genommen; der Allmächtige versetzt mich in Angst und Schrecken!
17 Doch die Dunkelheit bringt mich nicht zum Schweigen, diese tiefe Finsternis, die mich jetzt bedeckt.“
Gretchenfragen
„Wie hältst Du`s mit dem Glauben, sprich?“
fragt das Gretchen in Goethes Faust
„Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“
fragt Christus am Kreuz
„Warum tust Du mir das an?“
fragt Hiob Gott am Scherbenhaufen seiner Existenz.
Er war ein gütiger, gerechter Mann, dem alle Ehrfurcht zollten.
Er war ein freigiebiger, barmherziger Mann, der jedem, der ihn bat, geholfen hat.
Er war ein liebevoller Ehemann und Vater..
Er war ein gottesfürchtiger Gerechter im wahrsten Sinn des Wortes.
Und dann kommt es über ihn, das Unheil, und zerstört sein märchenhaftes Glück.
Es nimmt sie ihm weg, seine Herden, sein Haus und seine Felder.
Es nimmt sie ihm weg, seine starken Söhne und seine schönen Töchter.
Und dann greift sie nach ihm selbst, die Hand des Widersachers allen Guten.
Der Aussatz befällt ihn und stößt ihn aus aus der Gemeinschaft aller gesunden Menschen.
Der Aussatz nimmt ihm seine Würde und seine Selbstbestimmung.
Der Aussatz beschert ihm den Ekel und den Abscheu seiner Frau, die ihm zum Selbstmord rät.
Gott, wofür bestrafst Du mich?
Gott, warum läßt Du das zu?
Gott, warum greifst Du nicht ein?
Ich hab doch nichts getan, was Deinen Zorn verdient!
Hiob
verlassen von seinen Freunden
verlassen von seiner Familie
preisgegeben von seinem Gott?
Hiob
am Ende seiner Kraft
am Ende seiner Hoffnung
am Ende seines Glaubens
„Gott hat mir jeden Mut genommen; der Allmächtige versetzt mich in Angst und Schrecken!“
Wer kennt sie nicht, die Stunden, wo er nicht mehr da zu sein scheint, der liebe Gott in unserem Leben.
Wer kennt sie nicht, die Finsternis der Angst um Haus und Hof, um Kind und Freund, um Nahrung und Gesundheit.
„Unser Schicksal ist, daß Gott und der Satan nach uns fragen. Je steiler und wärmer die Sonne göttlichen Segens unsere Hütte bestrahlt, um so dichter lauert im Schatten hinterm Haus sprungbereit der Widersacher auf seine Stunde“ sagt der Theologe Jetter.
Gretchenfragen
Warum tust du mir das an?
fragt Hiob Gott
Wer bin ich denn für Dich?
fragt Gott den Hiob
Bin ich nur der für Dich, der für Dein Wohlergehn zu garantieren hat?
Glaubst Du nur dann an meine Güte, wenn Du gesund und reich und munter bist?
Hat er denn recht, der Gegenpol der Dunkelheit am Ende meines Lichts, daß Du nur meine Gaben liebst und nicht mich selbst und meine Gegenwart in Deinem Leben?
„Gott als Wohlfahrtsgötze, als Gutgenug, um unser Glück zu hüten, als der Garant für ein Happy-End unseres Daseins – wenn dieser Gott am Ende herauskommt, dann ist unser Glaube nichts als eine selbstsüchtige Spekulation“ sagt der Theologe Jetter.
Gott will mehr sein als der Wächter unseres Wohlergehens.
Er will am Ende unseres Glaubens unser Anfang sein.
Er will der Engel sein, der uns im Morgengrau nach langem Kampf im Dunkeln seinen Segen bringt.
Er will die Kraft sein, die uns hilft, in allen Stürmen standzuhalten.
Er will die kleine Flamme Hoffnung sein, die unverlöschbar bei uns bleibt in jeder Finsternis.
Er fragt nach unserer Antwort auf seine Gretchenfrage nach dem Glauben.
Er will die Antwort sein auf unsere Gretchenfrage nach dem Glück.
die Antwort auf die tiefe Sehnsucht unseres Herzens
die Antwort über den Schatten unsres Nicht-Verstehen-Könnens
die Antwort auf alle unsere Angst und Not und Gottverlassenheit.
Er hat sie selbst am Kreuz in seinem Sohn für uns durchlitten – über den Tod und über allen Schmerz hinaus.