Den doch nicht!

Meditative Betrachtung vom 22.06.2025

Joh. 5, 39-47

39 Ihr lest die Heilige Schrift gründlich, um ewiges Leben zu finden. Und tatsächlich weist sie auf mich hin.

40 Dennoch wollt ihr nicht zu mir kommen, um ewiges Leben zu haben.

41 Ich suche nicht die Anerkennung von Menschen!

42 Ich kenne euch und weiß genau, dass ihr Gottes Liebe nicht in euch habt.

43 Mein Vater hat mich zu euch geschickt, doch ihr lehnt mich ab. Wenn aber jemand in eigenem Auftrag zu euch kommt, den werdet ihr aufnehmen.

44 Kein Wunder, dass ihr nicht glauben könnt! Denn ihr seid doch nur darauf aus, voreinander etwas zu gelten. Aber euch ist völlig gleichgültig, ob ihr vor dem einzigen Gott bestehen könnt.

45 Es ist gar nicht nötig, dass ich euch vor dem Vater anklage: Mose wird euer Ankläger sein – genau der, auf den ihr eure ganze Hoffnung setzt!

46 Denn in Wirklichkeit glaubt ihr Mose gar nicht; sonst würdet ihr auch mir glauben. Schließlich hat doch Mose von mir geschrieben.

47 Wenn ihr aber nicht einmal glaubt, was er geschrieben hat, wie könnt ihr dann glauben, was ich euch sage?“

Den doch nicht!

Ersehnt wird: Der Messias.

Der, der die Römer nach Hause schickt.

Der, der alle Schwierigkeiten beseitigt.

Der, der Unsterblichkeit garantiert.

Der Supermann, der weiß, wo`s langgeht.

Der Superguru, der weiß, wie man`s machen muß.

Der große Held, der was her macht für sein Geld.

Und dann kommt da einer, der von Vergebung schwafelt.

Und dann kommt da einer, der von Barmherzigkeit philosophiert.

Und dann kommt da einer, der die althergebrachten Regeln nicht einhält.

Er wagt, uns zu sagen, daß wir Sünder sind.

Er wagt, uns zu sagen, daß unsere Anstrengung sowieso nichts bringt.

Er wagt, uns zu sagen, daß wir in Wirklichkeit nur Gernegroße sind.

Er wagt zu sagen, daß uns die Liebe fehlt.

Brauchen wir das?

Die frommen Gesetzeslehrer damals fanden sich selbst so gut, daß sie solch einem Gottessohn seine Legitimation nicht glauben wollten.

Viele  großen Weisheitslehrer  heute finden sich so gut, daß sie sich selbst für Gottes Sohn und den Messias halten.

Und wir?

Brauchen wir ihn wirklich nicht, den Gott, der sagt: „Dir ist vergeben“ – wenn wir uns selber nicht verzeihen können, was wir

vernichtet und zerstört,

versäumt und vernachlässigt

entwürdigt und beleidigt haben?

Brauchen wir sie wirklich nicht, die Liebe, die uns hilft

am Krankenbett des anderen auszuhalten

ein Lächeln in die Einsamkeit des Unbekannten neben uns zu tragen

nicht fortzulaufen, wenn der unbequeme Nachbar uns mit seinen Sorgen auf die Nerven geht?

Brauchen wir sie wirklich nicht, die Güte Gottes, die nicht aufgibt, wenn wir erschöpft am Endpunkt

unserer eigenen Zuneigung

unserer eigenen Hilfsbereitschaft

unserer eigenen Geduld

unserer eigenen Freundlichkeit

unserer eigenen Friedfertigkeit

unseres eigenen Erbarmens

angekommen sind?

Den doch nicht!

den, der sich geißeln läßt, statt seinen Feinden den Kopf abzuschlagen

den, der Vergebung predigt, statt die eigene Unfehlbarkeit anzupreisen

den, der die Aussätzigen heilt, statt fromme Gesetze zu verfeinern.

den, der sein Leben abgibt, damit die Barmherzigkeit Gottes mit uns Menschen nicht stirbt

über den unendlichen Gräberfeldern in Rußland und in der Ukraine

über dem Meer der Kerzen vor der Gedenkstätte der Gewalt in Graz

über dem Ozean der Angst in den Augen der Kinder in Gaza

den, der sie verwandeln kann, unsere Untüchtigkeit zum Guten.

Brauchen wir den wirklich nicht? Amen.

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