Eine ansteckende Gesundheit

Phil. 4, 4-7 – Br. Markus

Freut euch Tag für Tag, dass ihr zum Herrn gehört. Und noch einmal will ich es sagen: Freut euch! Alle Menschen sollen eure Güte und Freundlichkeit erfahren. Der Herr kommt bald! Macht euch keine Sorgen! Ihr dürft Gott um alles bitten. Sagt ihm, was euch fehlt, und dankt ihm! Und Gottes Friede, der all unser Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und Gedanken im Glauben an Jesus Christus bewahren.

Corona, Corona – wir alle wissen, was ansteckende Krankheit ist. Fieber, Schüttelfrost, Brechreiz – manch einer landet schneller in der Notaufnahme vom Krankenhaus, als man denken kann. Im Predigttext geht es ums Gegenteil: um Gesundheit, die noch ansteckender ist, als Krankheit aller Art. Es geht um den Frieden Gottes „der allen Begriff übersteigt“.

1.          Infiziert

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo die Bomben sind …

Wir leben in einer infizierten Welt- infiziert mit Haß, Krieg, Gewalt und Krankheit – und zugleich mit Licht, Liebe und Hoffnung. Weder das eine noch das andere füllt uns ganz. Es kämpft in uns, um uns und durch uns. Wir sind weder ganz hell noch ganz dunkel.

In uns ist

  • Ringen um Licht
  • Ringen um Kraft
  • Ringen um Geborgenheit

Nicht ich bin das Licht der Welt, nicht ich bin die Kerze, die strahlt nicht ich bin die Sonne, die den Früchten letzte Reife gibt sondern ein anderer.

„Der Friede Gottes ist die Treue Gottes, unserer Untreue zum Trotz“ sagt Dietrich Bonhoeffer.

Das bestimmt unsere Position. Wir sind kurz davor, wir sind nahe dran, aber eben noch nicht ganz. „Noch will das Alte unsere Herzen Quälen“ – noch sind da Schatten, die uns verdunkeln und ist die Nacht, die nach uns greift.

  • Christsein heißt, unterwegs sein.
  • Christsein heißt, infiziert sein.
  • Christsein heißt in Bewegung sein – immer auf ein klares Ziel zu.

Wir stehen vor der Vollendung in Ewigkeit, nicht hinter ihr. In uns ist Licht, aber eben auch Schatten. Ohne Christus taugen wir nicht zum Leuchtturm oder zum Licht der Welt. Wir sind in Christus infiziert.

„Ihr dürft in jeder Lage zu Gott beten. Sagt ihm, was euch fehlt und dankt ihm.“

Gottes Friede strahlt uns an, gibt uns einen berechtigten Grund zur Hoffnung inmitten aller Dunkelheit, die uns umgibt. Gottes Treue strahlt uns an trotz allem, was daneben geht. Gott will zum Gespräch ermutigen, nicht zur Selbstüberschätzung. Es liegt in Gottes Hand. Ich kann nur Handlanger sein. Wir sind unterwegs. Wir dürfen reden, wir sollen reden. Wir dürfen vertrauen, wir sollen vertrauen. Wir dürfen den manchen lassen, der das kann, was wir nicht können. Ich muß nicht selber Gott sein, ich kann mich ihm anvertrauen, weil ich weiß, daß er mich nicht fallen läßt. Also: Ich kann in seinem Frieden sein, den ich der Welt nicht geben kann.

Christus füllt meinen Mangel aus, nicht ich seinen.

Dieses Stehen und Leben in Christus

2.          Aktiviert

Alle Menschen sollen eure Güte und Freundlichkeit erfahren.

Wir stehen auf Level 0, auf dem Level der Barmherzigkeit des Gottessohns. Alle Menschen sollen es erfahren – die Betonung liegt auf alle – also nicht nur deren Nase mir gefällt, die nett zu mir sind oder die zahlende Kundschaft. Christus verschenkt sich, er verkauft sich nicht. Güte und Freundlichkeit sollen die prägenden Eigenschaften sein. Andere Übersetzer sagen Lindigkeit. Gemeint ist damit ein nicht genau übersetzbarer Zustand, der sehr wohl um Gerechtigkeit weiß, das Gesetz aber nicht auf den Millimeter genau eintreibt. Vielleicht wäre Kulanz ein besseres Wort.

Güte ist eine von Wohlwollen und Nachsicht bestimmte Gesinnung.

  • Das Herz mitreden lassen.
  • Das Eis schmelzen lassen.
  • Das Leid der anderen erkennen.

Können wir das ?

Klar, das eigene Leid erkennt jeder – glasklar, unmittelbar, jeden Tag, jede Sekunde, in der ich Unrecht erleiden muß. Wenn mir der Kellner zu spät das Essen bringt, der Preis zu hoch, der Vortrag zu lang oder die Stimmung zu schlecht ist – da wird doch eher der Kämpfer in mir wach, den Saftladen mal auf Vordermann zu bringen – oder nicht? In Deutschland regierte einst der Preußenkönig. Das hat die Deutschen hart gemacht – oder etwa nicht? Sind wir nicht mental überfordert, wenn wir etwas geben sollen, was wir gar nicht haben? Der Kampf um`s Dasein ist immer hart. Wir können uns Nachsicht gar nicht leisten – oder? Man will ja schließlich nicht überholt werden. Es ist kein Konzept, so zu tun als ob. Es gelingt nicht, wenn wir herabschauen auf das arme Schwein, das es mal wieder nicht geschafft hat.

Es ist nie eine Frage unserer Stärke. Es ist eine Frage der Hoffnung, die für uns strahlt, die uns Hoffnung für den anderen gibt, daß er es, wie ich auch, schaffen kann, Teil der großen Barmherzigkeit Gottes zu werden, weniger zu sein. Es ist noch nicht, es wird werden. Weil es werden wird, ist es auch in uns noch nicht vorhanden – bestenfalls teilweise. Wir brauchen eben diese Hoffnung, die für uns strahlt, damit wir sie ausstrahlen können. Wir sind nicht, wir werden.

Es ist eine Ansteckungsphase. Wir sind mit Zukunft infiziert. Wir können andere anstecken. Noch ist sie aber nicht erreicht. Sie liegt nicht in uns, aber vor uns.

Wir sind sehr wohl voll

3.          Elektrisiert

Freut euch Tag für Tag, dass ihr zum Herrn gehört. Und noch einmal will ich es sagen: Freut euch!

Paulus schreibt den Philipperbrief aus dem Knast. Es ist eine Lebenslage, die alles andere als lustig ist. Er müßte eigentlich schreiben: „Mir geht es gar nicht gut, ich fühle mich schlecht. Die Ungewißheit macht mich total fertig. Ich weiß nicht, ob ich da lebend rauskomme. Irgendwie macht das alles gar keinen Spaß mehr….“

Es ist paradox. „Freut euch“ – nicht einfach so, auf nüchternen Magen.

„Freut euch, daß ihr zu Christus gehört.“

Freut euch, daß ihr infiziert seid.

Die Freude, die das Kennzeichen christlicher Existenz ist, hat einen klaren Bezugspunkt, ohne den sie nicht sein kann: Freude in Christus.

Es ist kein Psycho-Trick oder selbergemachte Motivation, es ist keine aufgesetzte oder angeordnete Freude, frei nach dem Motto: „Freu dich doch, Oma, s’isch ja dei Fescht, du könnscht ja scho lang dod sei.“

Unsere Freude hat einen Grund und ist deshalb fest und tief, weil der Grund zur Freude unsere Zukunft ist, die hereinstrahlt in alles, was jetzt noch dunkel ist, was zum Weinen ist und was vergeht. Darin hat Christusfreude ihre wahre Qualität. Man muß sie nicht anordnen, es reicht, auf sie hinzuweisen. Es geht um mehr als eine vorübergehende Empfindung. Es ist eine tiefe Bewegung der Seele, die in Bewegung gebracht worden ist, elektrisiert. Durch den Besitz und Genuß von Christus werden wir vergnügt, nennen wir es „christusvergnügt.“ Christusvergnügt sein ist heilige Gemütsregung, gewirkt durch den heiligen Geist.

Christusfreude ist Ereignis, nicht gemacht, sondern da. Im Heiligen Geist entdeckt der Mensch Gottes Lächeln, das stille Glück, den außerirdischen Humor. Gemütsregung Christus wird dem Menschen geschenkt, der für Gott offen ist. Christusfreude fließt in weinende Herzen hinein. Christusfreude beatmet, wenn uns die Luft wegbleibt. Christusfreude strahlt, wo Finsternis regiert.

Heute ist der 4. Advent, die vierte Kerze brennt. Wollten wir selber strahlen, würden wir sehr schnell verbrennen inmitten der Dunkelheit, die uns umgibt. Burn out! Wir stehen aber in einer ganz konkreten Erwartung, und die ist mehr als Licht. Wir sind infiziert, mit Christus infiziert. Das feiern wir schließlich in jeder Eucharistie, und auch nicht nur kurz vor oder an Weihnachten. Christus kommt. Er kommt wieder. Er läßt uns nicht zurück.

„Christus ist der Lebensraum, die Atmosphäre, auf dem unser ganzes Leben genest.“ sagt der Theologe Stählin.

Wenn die vierte Kerze brennt, feiern wir die Gewißheit, daß die ansteckende Gesundheit gar nicht mehr aufzuhalten ist. Am Ende bleibt nicht die Dunkelheit, in der wir zurückgelassen werden, sondern der Friede, der alle Vernunft übersteigt.

Wir sind infiziert mit Licht. Feiern wir diese Infektion. Es ist die einzige, die wirklich zum Feiern ist.

Amen.

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